Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
deutlich spüre ich in diesen Augenblicken die Präsenz der Ermeskul. Wahrlich, sie sind und bleiben die Hüter Gondwanas. Stolz erfüllt mich, ein wärmendes Gefühl beim Gedanken daran, ihnen behilflich gewesen zu sein, diese herrliche Welt wieder in eine Oase des Friedens zu verwandeln. Wenn auch der Preis dafür aus Sicht der Menschen ein unverhältnismäßig hoher gewesen war, diesen Tribut gezollt zu haben durfte getrost zu den selbstlosesten und anerkennenswerten Leistungen ihrer wechselhaften Geschichte zählen. Ja, ich bin stolz darauf, Ermeskul zu sein.
Von nun an führt der Weg fort aus der mir bekannten Welt. Streng nach Westen leitet das ermutigend stärker werdende Signal, über die Grenzen der Radan’schen Landkarte hinaus ins Niemandsland. Ich verspüre weder Hunger noch Durst. Tagelang marschiere ich ohne einen Bissen zu mir zu nehmen und fühle mich dabei stärker und leistungsfähiger als in der fernen Jugendzeit. Nicht der kleinste Tropfen Wasser findet sich in der brütenden Gluthitze dieser namenlosen Wüste. Unter normalen Umständen wäre ein Mensch längst verdorrt wie eine an der Rebe vergessene Traube. Doch nicht einmal die Zunge klebt am Gaumen. Sogar des Nachts ziehe ich beharrlich weiter, Schritt für Schritt, keine Zeit für Schlaf findend. Müdigkeit oder gar Erschöpfung wollen sich nicht einstellen.
Aus dem Nichts ist es heute aufgetaucht. Mit jedem Meter, den ich mich nähere, türmen sich seine Gipfel höher und weiter in den wolkenlosen, violettfarbenen Himmel. Ich habe es erreicht, das sagenhafte Große Barrieregebirge, jene unüberwindliche, unvorstellbar riesige Wand aus Stein und Fels, die von Süd nach Nord durch den gesamten Kontinent reicht. Noch meilenweit entfernt zieht der unbeschreibliche Anblick dieses Superlativs natürlicher Schöpfungskraft in seinen Bann. Wie von unsichtbaren Fäden gezogen steuere ich es an, kann die Ankunft kaum erwarten. Die Luft wird zunehmend kühler, Vegetation und Landschaft veränderen sich spürbar. Die Wüste verschwindet und macht fast augenblicklich Urwald Platz, welcher an Dichte und Ausmaßen alle mir bekannten Wälder weit in den Schatten stellt. Feuchtheißes Klima herrscht hier, Insekten aller Farben, Formen und Größen umschwirren mich neugierig.
An einem Felsenteich mache ich Rast, zum ersten Mal seit Tagen. Mir verlangt nach Wasser. Bevor ich jedoch beide Arme ausstrecken kann, um süßes und klares Nass zu schöpfen, sehe ich mein Gesicht auf der stillen Oberfläche. Warum erschrecke ich nicht beim Anblick des gealterten Mannes, der mir so unerwartet entgegenblickt? Beherrscht und gelassen betrachte ich mich ausgiebig. Die Ähnlichkeit mit Rob lässt sich nicht von der Hand weisen. Teile ich sein Schicksal? Warum altere ich plötzlich so rasant schnell? Wie viel Zeit bleibt noch?
Unruhe greift nach mir. Ich haste los, hinein in den tiefen Dschungel, immer weiter auf die Berge zu. Das Signal, die Stimme, legt mit jeder zurückgelegten Meile an Eindringlichkeit zu... das Ziel liegt nahe! Sehr nahe! Ohne nachzudenken beginne ich mit der Ersteigung des Daches dieser Welt. Kein Zweifel, das Signal lockt hinüber in den unentdeckten fernen Westen Gondwanalands.
Was Hitze und Kälte nicht geschafft haben, gelingt nun dem Schnee. Trotz Einsatz aller Energien komme ich nicht mehr voran. Bodenlos präsentiert sich das tückische Schneefeld, in das ich geraten bin. Bald stecke ich aussichtslos fest, und meine Kräfte erlahmen. Wie tot bleibe ich liegen, bis zur Brust eingebrochen, mit jeder Bewegung tiefer abrutschend.
Stunden vergeblicher Anstrengungen vergehen. Längst ist es dunkel geworden, eisiger Wind pfeift über die Weiten des verschneiten Berghangs, der mich zu seinem Gefangenen erklärt hat. Tränen der Hoffnungslosigkeit und Erschöpfung erfüllen meine Augen.
Die nackte Verzweiflung treibt mich nochmals zu Höchstleistungen an, und endlich gelingt es mir, den verausgabten Körper Zentimeter für Zentimeter aus dem Schneeloch herauszuarbeiten ohne weiter einzusinken. Auf allen Vieren krieche ich voran, um nur ja nicht wieder einzubrechen. Wie ein Leuchtfeuer prunkt Estri hinter den bizarr geformten pechschwarzen Gipfeln des immens riesigen Gebirges und taucht das ebenso immens riesige Eisfeld in Silberschein.
Die ganze lange Nacht auf den Knien rutschend gelange ich bei Morgengrauen endlich an sein östliches Ende und verschmelze mit den schwarzen Schatten tröstend naher Felsen. Dann fordern Entkräftung
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