Sephira - Ritter der Zeit 2: Das Blut der Ketzer (German Edition)
sei im Kampf gefallen, doch es geht auch die Rede, dass er sich in einen Dämon verwandelt haben soll. Mein Vater will ihn gesehen haben, als er in Jerusalem war. Bleich und mit goldenen Augen soll er an ihm vorübergegangen sein, ohne ihn zu erkennen. Stein und Bein hat mein Vater geschworen, dass es jener Sayd war!«
Azhar, der Sohn des Anführers, blickte an diesem Abend missmutig ins Feuer. Bakrs Geschichte interessierte ihn nicht, obwohl Sayd doch zu seinen Vorfahren gehörte. Er kannte die Geschichte bereits, hatte seine Großmutter sie ihm doch schon Dutzende Male erzählt. Bevor Sayd einst seinen Stamm verließ, um sich dem Emir anzuschließen,suchte er seine Lieblingsfrau noch einmal auf. Sie gebar ihm eine Tochter, aus der Azhars Familie hervorgegangen war. Dass Sayd zu einem Dämon geworden sein sollte, hatte sie nicht hinzugesetzt, aber das konnte den Jungen auch nicht für die Geschichte begeistern.
Verwehen wird sie mit der Zeit wie der Sand in der Wüste , dachte er gelangweilt. Und gleichzeitig stieg Groll in ihm auf. Zu gern hätte er seinen Onkel und seine Vettern am kommenden Tag in die Stadt begleitet, doch sie hatten gemeint, dass er besser im Lager bleiben sollte. Dabei herrschte nicht einmal mehr Krieg!
Wenn sie doch endlich erkennen würden, dass ich kein kleines Kind mehr bin , dachte Azhar enttäuscht. Tag für Tag übte er mit seinem Schwert, versuchte seine Kampfkunst zu verbessern, doch die Männer seiner Familie nahmen das ebenso wenig zur Kenntnis wie die Tatsache, dass er schon fast so groß wie sein Onkel Mahmut war! Bei seinen Schwestern und kleinen Brüdern bleiben zu müssen, war für ihn eine große Schande, und den Geschichten von seinen ruhmreichen Vorfahren lauschen zu müssen, verstärkte dieses Gefühl noch. Ob der heldenhafte Sayd in seiner Jugend auch von seinem Vater zurückgehalten worden war?
Ein paar Steine prasselten herab, doch die Beduinen beachteten sie nicht. Wenn man am Fuße eines Gebirges lebte, gab es hin und wieder Steinschlag. Der Junge jedoch blickte sich um.
Ein Schatten huschte über die Felsen. Konnte das sein? Oder täuschten ihn nur seine Augen? Azhar versuchte die Stimmen und das Prasseln des Feuers zu verdrängen und konzentrierte sich ausschließlich auf die Geräusche hinter sich.
Waren das Pferdehufe?
Während Bakr seine Geschichte immer weiter ausschmückte, erhob sich der Junge und wandte sich dem Felsenzu, der wie ein schwarzer Wächter hinter ihnen aufragte. Auf einmal erschien er ihm bedrohlich. Er wurde das Gefühl nicht los, dass sich dort etwas bewegte. Wie unter einem Bann, der ihn alles vergessen ließ, ging er schließlich der Dunkelheit entgegen.
War an den Geschichten über die Geister doch etwas Wahres? Hatte sich Sayd wirklich in einen Dämon verwandelt und kehrte nun, angestachelt von Bakrs Geschichte, zurück?
»Azhar, wo willst du hin?«, rief sein Cousin Ahmed, der die ganze Zeit über neben ihm gesessen hatte. Erst jetzt bemerkte der Junge, dass er sich schon ziemlich weit vom Feuer entfernt hatte. Doch ans Umkehren dachte er nicht. Wie gebannt starrte Azhar in die Dunkelheit. Etwas war dort am Wirken. Etwas Bedrohliches, das offenbar niemand von ihnen wahrnahm. Wenn ich mich dem entgegenstelle, wird Vater wohl endlich erkennen, dass ich kein kleines Kind mehr bin.
Wieder prasselten Steine nieder. Ein Pferd schnaufte. Dann vernahm er ein leises Wiehern, gefolgt von kräftigem Hufschlag. Plötzlich tauchte der Reiter vor ihm auf. Die Farbe seines Pferdes und seiner Kleidung ließ ihn mit der Dunkelheit verschmelzen. Nur sein bleiches Gesicht und das Glitzern des Geschirrs und der Sattelbeschläge verrieten ihn. Azhar war wie gelähmt. Obwohl das Tier direkt auf ihn zukam, wich er nicht von der Stelle. Wenn er ein Geist ist, kann er mich nicht über den Haufen reiten. Ich werde Sayd zeigen, dass sein Urenkel nicht feige ist.
Dann spürte er die Wärme des Tiers. Der Reiter wich ein wenig zur Seite aus, beugte sich dann vor. Bevor Azhar reagieren konnte, packte ihn eine Hand am Hemd und zerrte ihn in die Höhe, als hätte er keinerlei Gewicht.
Er schrie auf, als er hinter dem Reiter auf der Kruppe landete, doch bevor jemand von seinen Leuten reagieren konnte,wendete der Fremde sein Pferd und preschte auf den Berg zu. Dem Jungen blieb nichts anderes übrig, als sich am Gewand des Fremden festzuklammern. In halsbrecherischem Tempo jagte der Rappe den Pass hinauf und überquerte die höchste Stelle des Bergkamms. Der Wind
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