Sephira - Ritter der Zeit 2: Das Blut der Ketzer (German Edition)
hier oben war so kalt, dass der Junge meinte, Eis würde sich auf sein Gesicht legen. Der Reiter hielt kurz inne und stieß einen schrillen Pfiff aus. Dann gab er dem Pferd wieder die Sporen.
Der Weg nach unten war so steil, dass Azhar glaubte, sie würden jeden Augenblick in die Tiefe stürzen. Sein Herz raste. Als er die Spannung nicht mehr aushalten konnte, schrie er erneut.
Doch sie fielen nicht. Unbeirrt jagte das Pferd weiter. Als Azhar verstummte, hörte er furchterregende Geräusche hinter sich. Das Echo seiner Schreie? Oder nur das Heulen des Windes? Aufgewirbelte Steine prasselten gegen seine Waden. Sie hatten noch immer festen Boden unter sich! Abzuspringen wagte er allerdings nicht.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Berges angekommen machte der Vermummte schließlich halt und stieß Azhar von der Kruppe. Der dumpfe Schmerz, der durch sein Knie zog, konnte den Jungen nicht davon abhalten, sich sogleich wieder aufzurichten. In der Dunkelheit war der Fremde, der nun ebenfalls vom Pferd stieg, kaum zu erkennen. Dennoch warf sich der Junge gegen ihn. Bevor er das Gewand des Mannes zu fassen bekam, wich dieser blitzschnell aus und packte den Jungen am Genick. Mühelos zog er ihn in die Höhe. Azhar schrie auf, als sich die langen Fingernägel des Mannes in seine Haut bohrten.
»Glaubst du wirklich, du könntest mir etwas anhaben?«
»Was wollt Ihr von mir? Warum habt Ihr mich entführt?«
»Weil ich dich auserwählt habe.«
»Aber meine Familie ... Mein Vater ...« Hektisch blicktesich der Junge um, doch der Berg versperrte ihm die Sicht auf das Lager.
»Für deine Familie wird gesorgt sein, die werden schon verkraften, dass du eine Weile nicht bei ihnen bist.« Ebenso mühelos, wie er ihn in der Luft gehalten hatte, ließ der Fremde ihn wieder herunter. Kraftlos vor Schreck sank der Junge vor ihm auf die Knie.
Der Reiter sah ihn eine Weile wortlos an, dann zog er sein Tuch vom Gesicht. Das rote Aufleuchten in seinen Augen brachte Azhar dazu, eine alte Beschwörungsformel seines Volkes zu murmeln. Die Schutzsure, die ihm sein Vater beigebracht hatte. »Ich suche Schutz bei dem Herrn der Morgendämmerung ...«
»Lass dieses dumme Gemurmel!«, fuhr der Reiter ihn an, ohne auf seine Frage einzugehen. »Ich werde dir ein Geschenk machen, das größte Geschenk, das es gibt. Sage mir nicht, dass du nicht davon träumst, etwas Besonderes zu sein!«
Der Bursche erwiderte nichts darauf. Natürlich hatte er davon geträumt. Dass der Fremde das wusste, beunruhigte ihn zutiefst, doch er bemühte sich, mehr Abscheu als Angst zu zeigen.
Der Fremde beugte sich wie ein drohender Schatten über ihn. »Ich werde dich unsterblich machen, unsterblich, wie ich es bin. Du wirst ein großer Krieger werden, der sogar seine Ahnen übertrifft.«
Der Junge machte große Augen. »Unsterblich? Niemand hat die Macht dazu, jemanden unsterblich zu machen!«
»Ich habe diese Macht. Und ich kann noch ganz andere Dinge tun!«
Ifrit , schoss es Azhar durch den Kopf. Der Fremde ist ein Wiedergänger. »Warum gerade ich?«
»Weil ich in dir all das sehe, was einen großen Mann ausmacht.«
»Aber ich will kein Geist sein.«
»Wer sagt denn, dass du ein Geist wirst. Hast du nicht gespürt, dass ich noch immer aus Fleisch und Blut bin? Das wirst du auch sein. Und mächtiger als jeder Mann in deinem Stamm.«
Azhar entspannte sich nun ein wenig. Obwohl seine Beine immer noch zitterten, richtete er sich auf.
»Wie ist dein Name, Junge?«, fragte der Fremde versöhnlicher, während er vor ihn trat und ihm die Hand auf die Schulter legte.
»Azhar.«
»Ein edler Name. Von einem Menschen, der leuchtend genannt wird, kann die Welt Großes erwarten, findest du nicht?«
Der Junge zeigte keine Regung, sondern schien nun, da sein Zorn offensichtlich verraucht war, angestrengt nachzudenken.
»Triff deine Entscheidung!«, forderte der Fremde und streckte ihm seine Hand entgegen. »Willst du mir folgen und unsterblich sein? Oder für immer und ewig nur an dritter Stelle stehen? Hinter deinem Vater und deinem Onkel ...«
Azhar blickte sich zum Berg um. Der Wind raunte noch um die Felsen. Was würde Vater dazu sagen?
Die alte Wut kehrte zurück. Der Fremde hatte recht. Solange sein Vater und dessen Bruder noch lebten, würde er den Stamm nicht führen. Sie würden ihn weiterhin wie einen kleinen Jungen behandeln. Aber wenn er erst unsterblich war, hatte er alle Zeit der Welt. Und außerdem würde sein Vater begreifen, wie wichtig ihm sein
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