Sephira - Ritter der Zeit 2: Das Blut der Ketzer (German Edition)
ein Jahr nach ihm starb Saladin, der geliebte Herrscher der Muslime. Seinen Nachkommen gelang es nicht, seine so glorreich errichtete Dynastie zu halten. Das Ayyubiden-Geschlecht wurde von den Mamluken abgelöst. Ein neuer Sultan regierte in Kairo.
Der Tod des großen Herrschers stachelte die Christen zu neuen Kreuzzügen an, mit ihren Heerscharen strömten die Fürsten übers Meer. Doch nun hatten wir die Hände im Spiel. Leise und unsichtbar wie Schatten in der Nacht, ganz der Tradition der Assassinen folgend, zogen wir unsere Fäden, töteten, wenn es nicht zu umgehen war, und trugen durch geschicktes Ausspielen von Informationen dazu bei, dass keiner dieser Kreuzzüge siegreich verlief.
Manchmal fragte ich mich, wie das die Christen in unseren Reihen sahen, doch Gabriel und Vincenzo zögerten keinen Augenblick, für unser gemeinsames Ziel einzutreten: Das Morden aufgrund verschiedener Religionen musste endlich aufhören!
Mittlerweile herrschte schon seit einigen Jahren Ruhe. Nur wenige unverbesserliche Abenteurer kamen noch her auf der Suche nach Schätzen und Ruhm und erlangten weder das eine noch das andere.
Für uns hatte es in den vergangenen Jahren kaum etwas zu tun gegeben. Sayd war von Visionen verschont geblieben, und so konzentrierten wir uns darauf, unser Können zu perfektionieren und unser Wissen zu erweitern. Doch jeder von uns brannte darauf, wieder eine richtige Aufgabe zu übernehmen.
Untätigkeit wird zur Qual, wenn man ewig lebt.Allmählich ließen meine Beschwerden nach. Ich atmete tief durch, und es war, als würde frischer Morgenwind durch die Fenster wehen und meinen fiebernden Körper kühlen.
Ich öffnete die Augen und bemerkte Gabriels besorgten Blick. »Gott sei Dank!«, murmelte er, nahm meine Hand und küsste sie. Ich spürte deutlich, dass er zitterte.
»Was ist mit dir?«, fragte ich, denn noch nie hatte ich ihn so erlebt.
»Ich hatte Angst um dich«, raunte er und strich mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. »Große Angst!«
Ich streichelte seine Wange, die wie im Fieber glühte. »Warum denn das? Du erlebst das doch nicht zum ersten Mal!«
»Nein, aber heute war es anders.« Er musterte mich so eindringlich, als wollte er sicherstellen, dass es mir tatsächlich gut ging. »Du hast eine ganze Weile nicht geatmet und dagelegen wie tot. Es war wie damals, kurz nachdem du die Gabe erhalten hast. Nein, es war sogar noch schlimmer.«
Ich zog die Augenbrauen hoch. »Ich habe nicht ...«
Gabriel nickte. »Hast du das etwa nicht bemerkt?«
Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte nur den Krampf gespürt, das Brennen und die Erleichterung hinterher. Auf meinen Atem hatte ich nicht geachtet.
»Ich dachte schon, du stirbst. Aber dann habe ich gesehen, dass die Ader an deinem Hals unvermindert kräftig zuckt.« Er strich mir mit einem eiskalten Zeigefinger über die Stelle, an der er meinen Puls gesehen hatte.
Ich beugte mich zu ihm und küsste ihn. »Du weißt doch, dass ich unsterblich bin. Und jetzt geht es mir wieder gut.«
Ich zog seinen Kopf an mein Herz, damit er dessen regelmäßiges Schlagen hören konnte. Doch ich war beunruhigt. Noch nie hatte mein Atem ausgesetzt, wenn ich unter dem Brennen litt. Ließ die Wirkung des Elixiers nach? War die Unsterblichkeit einer Lamie begrenzt?
Ich lauschte in mich hinein, fand aber nichts, was mir verdächtig vorgekommen wäre. Ich fühlte mich stärker denn je. Dennoch folgten mir die Fragen bis tief in den Schlaf hinein.
Erst als Sonnenlicht über mein Gesicht strich, erwachte ich. Das Lager neben mir war leer. Da Gabriel auch nicht vor seinem Altar kniete, schlüpfte ich aus dem Bett, warf rasch meine Kleider über und lief zum Stall.
»Endlich wach geworden, Eure Hoheit?«, tönte Gabriels Stimme spöttisch zu mir herüber. Er stand neben seinem neuen Rappen, den er vor zwei Jahren in Alexandria gekauft hatte. Er hatte vielleicht nicht ganz die Grazie Alkadirs, aber er lief ebenso schnell, weshalb Gabriel ihn Agalla, Blitz, genannt hatte. Mein Hengst Nadir, ein Apfelschimmel, reckte neugierig den Kopf hinter dem Pfeiler hervor. Die beiden Pferde waren manchmal wie Feuer und Wasser, besonders weil Nadir meinte, im Stall die älteren Rechte zu haben. Auch jetzt nutzte er den Moment der Ablenkung, um Agalla in die Hinterhand zu zwicken. Nur Gabriels beruhigende Hand hielt den Rappen davon ab, auszuschlagen.
»Du hättest dein Pferd lieber Loki nennen sollen«, bemerkte Gabriel lachend, als sich Agalla wieder beruhigt
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