Sepp und seine Bande
eine fliegende Löwenmähne — und weiter drüben ein flatternder Hemdzipfel, der aus der Hose herausgerutscht war.
Kurz: Die Unglücksvögel stoben davon, daß die Funken sprühten!
Das einzige, was sie bei ihrer Flucht zurückgelassen hatten, war der Ball — ein kaum gebrauchter echter Lederfußball für Jugendliche. Er war durch die Fensterscheibe gesaust, gegen die Wand geprallt und lag nun mitten auf dem roten Teppich, als gehöre er zur Einrichtung des Wohnzimmers.
Aber der Ball blieb dort nicht lange liegen. Wütend packte Herr Dallmayer ihn, stürzte erneut ans Fenster und schrie in den wie leergefegten Hof hinaus: „Den kriegt ihr nicht mehr wieder, ihr Lausbuben, ihr sakrischen!“
Seine Frau hatte gleich festgestellt, daß nur die Fensterscheibe zerbrochen war, während die Zimmereinrichtung nichts abgekriegt hatte.
Besänftigend redete sie auf ihn ein: „Schrei nicht so, Toni, das nützt jetzt doch nichts mehr.“
„Schreien ist besser als schweigen“, schimpfte Herr Dallmayer, „sonst kriegen die Kerle nie Respekt vor mir.“
„Behalten darfst du den Ball jedenfalls nicht. Er gehört den Buben.“
„Ach, soll ich ihn den Lausern vielleicht noch zurückbringen?“ knurrte er gereizt.
„Nein, sie sollen ihn sich selbst abholen und den Schaden ersetzen. So eine Fensterscheibe kostet ja nicht alle Welt.“
„Aber sie kostet immerhin etwas, und ich sehe nicht ein, warum ich das bezahlen soll. Und solange mir die Burschen nicht das Geld auf den Tisch gelegt haben — auf Heller und Pfennig —, solange kriegen sie ihren Ball nicht zurück! Sonst wende ich mich an ihre Eltern.“
„Kennst du die Buben denn überhaupt?“
„Noch nicht — aber ich werd’ sie schon noch kennenlernen!“
Herr Dallmayer stampfte, den Fußball unterm Arm geklemmt, grimmig aus dem Wohnzimmer. Er trug den Ball in seinen Werkzeugraum, verschloß ihn in einem Wandschrank und ging dann ins Schlafzimmer hinüber, um sich weiter mit den Vorhangröllchen abzuplagen.
Inzwischen hatte seine Frau aus dem Besenschrank Schaufel und Handfeger geholt und kehrte die Glassplitter auf dem Boden zusammen.
Da kam Sepp vom Bäcker zurück. Br schloß die Wohnungstür auf und schwenkte einen knusprigen Kloben durch die Luft.
„Ich habe ein tolles Brot bekommen! Kloben nennen sie das hier. Zweimal gebacken!“
Dabei war er in die Küche getreten, mußte jedoch feststellen, daß seine Mutter nicht dort war. Er legte den Kloben auf den Tisch und wollte sie gerade suchen, als er im Wohnzimmer Glas klirren hörte.
„Nanu, was ist denn hier kaputt?“ entfuhr es ihm, während er ins Wohnzimmer stürzte, wo seine Mutter gerade eine Schaufel voll Scherben in den Mülleimer kippte.
Sepp pfiff durch die Zähne, als er den Schaden sah.
„Hei, da ist ja ein Loch in der Scheibe! Durchzug...?“
„Nein", erwiderte seine Mutter, „die Buben da unten im Hof. Plötzlich hörten wir’s klirren — und da lag der Ball auch schon im Zimmer.“
„Wer — wer hat denn geschossen?“
„Ja“, sagte Herr Dallmayer, ins Wohnzimmer tretend, „das möchte ich auch gern wissen.“
Er hatte seinen Sohn sprechen hören und hoffte, von ihm mehr zu erfahren.
„Du kennst doch die Burschen.“
„Ich??“ wunderte sich Sepp. „Woher denn? Ich bin doch auch erst gestern hier eingezogen! Und außerdem war ich gerade beim Bäcker, als das passiert ist.“
Der Vater brummte und nickte.
„Natürlich ja, aber ich dachte... Ich will unbedingt die Namen wissen! Der Dicke von gestern nachmittag war auch dabei. Der mit dem Fahrrad, der immer so saudumm dahergered’t hat, als wir die Möbel ausgeladen haben. Irgendwo hier in der Gegend wohnt der bestimmt, vielleicht sogar in einem der Blöcke hier, die zu meinem Bereich gehören. Na ja, das werde ich schon noch rauskriegen. In ein paar Tagen spätestens kenne ich mich hier aus — und dann...“ Er vollendete den Satz nicht, aber nach dem Ton dieser Drohung zu schließen, wartete nicht gerade ein Vergnügen auf den dicken Willem und seine Wölfe!
„Und wenn du inzwischen was hörst, dann sagst du mir sofort Bescheid. Verstanden, Sepp?“
„Ja, Vater.“
Herr Dallmayer hatte sich noch einmal umgewandt, als er das Wohnzimmer schon fast verlassen hatte. Jetzt ging er endgültig hinaus, um sich die Zeit mit seinen Vorhangröllchen zu vertreiben...
Sein eigener Vater zu sein ist doppelt schwer
Zur gleichen Zeit beratschlagten der dicke Willem und seine Wölfe, wie sie wieder zu
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