Sepp und seine Bande
ihrem Fußball gelangen könnten.
Die dreizehn Burschen standen unter den Birken auf dem Richard-Wagner-Platz, zwei Straßen entfernt von der Hausmeisterwohnung — also außer „Schußweite“. Ihre Backen glühten — nicht nur vom Rennen, sondern auch von dem Schrecken, als der Ball plötzlich die Fensterscheibe zertrümmert hatte, statt das Tor erzittern zu lassen.
Wer’s nicht glaubt, wie stark einem so etwas in die Glieder fährt, der kann’s ja mal selber ausprobieren. Er darf sich dabei nur nicht erwischen lassen!
„Wir müssen den Ball unbedingt wiederhaben“, schnaubte der dicke Willem. „Ich habe ihn erst vorige Woche geschenkt bekommen. Ein Geburtstagsgeschenk von meinem Patenonkel.“
Ja, das wußten sie alle, und sie nickten kummervoll. Zu diesem Geburtstag, an dem Willem schon fünfzehn Jahre alt geworden war, hatte sich der Patenonkel besonders angestrengt. Onkel Fritz trug es seinem Patenkind nicht nach, daß Willem schon zum zweitenmal die achte Klasse drückte und auch jetzt — wenige Wochen vor der Versetzung — die besten Aussichten hatte, nicht versetzt zu werden und damit das Gymnasium verlassen zu müssen.
Nein, Onkel Fritz als alten Fußballer störte das nicht.
„Man kann auch ein guter Fußballspieler werden ohne Abitur“, pflegte er zu sagen.
Sein Traum war es, den dicken Willem einmal als Torwart beim 1. FC Köln zu sehen oder notfalls auch bei einem anderen Bundesligaverein — und vielleicht sogar in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft!
„Als Vertragsspieler kannst du eine Menge Geld verdienen, Junge“, hatte er seinem Neffen versichert. „Und nachher, wenn du älter bist, als Trainer vom 1. FC noch viel mehr. Da ist was drin, sage ich dir!“
Und Onkel Fritz hatte bedeutungsvoll die Brauen gehoben, als sähe er den Sack voll Geld schon vor sich.
Kein Wunder also, daß der dicke Willem an diesem Fußball mit Leib und Seele hing!
„Wir müssen den Ball unbedingt wiederhaben!“ knirschte er erneut und ballte die Fäuste.
Georg, gleichaltrig mit Willem, aber eine Klasse höher, seitdem der dicke Willem sitzengeblieben war, schlug vor:
„Das einfachste ist: wir schellen beim Hausmeister und bitten ihn um den Ball.“
„Wer?“ fragte Willem lauernd.
„Einer von uns natürlich...“ war die ausweichende Antwort.
„Natürlich. Aber wer?“
Georg, nach Willem der Zweitstärkste, zuckte die Achseln und brummte dann:
„Am besten du, Willem. Dir gehört der Ball.“
„Eben weil er mir gehört, deswegen kann ich am wenigsten hingehen.“
„Wieso?“
„Wieso — wieso! Weil es so ist, Mann. Deshalb!“
„Versteh’ ich nicht, ehrlich!“
„Was verstehst du auch schon!“
Willem schnaubte verächtlich durch die Nase. Er ärgerte sich — allerdings mehr über sich selbst, weil ihm keine einleuchtendere Erklärung einfiel, als über Georg. Genaugenommen schnauzte der dicke Willem nur deshalb, weil er einfach keinen Mumm hatte, selbst beim Hausmeister zu schellen. Lieber wollte er einen andern vorschicken und darauf warten, daß sich endlich jemand freiwillig melden würde. Aber keiner schien daran zu denken oder denken zu wollen. Vielmehr hatte er das Gefühl, als wollten sie alle ihn selbst vorschieben — wie jetzt wieder Brillenschlange mit der eindeutigen Bemerkung: „Ich meine, wer geschossen hat, der soll den Ball auch holen.“ Es lag auf der Hand, daß er damit Willem selbst meinte, der den Bombenschuß abgefeuert und statt des Tors die Fensterscheibe getroffen hatte. Und weil Willem bekannt war, daß alle das wußten, brachte ihn dieser Vorschlag von Brillenschlange noch mehr in Wut.
„Du bist noch doofer als doof!“ kanzelte Willem den andern ab. „Wir haben alle mit dem Ball gespielt, und jeder von uns hätte die Scheibe kaputtschießen können. Fußball ist ein Spiel für zwei Mannschaften und nicht für einen Mann allein. Mitgegangen — mitgefangen — mitgehangen. Kapiert, Brillenschlange?“
„Wenn man’s so nimmt...“
„So muß man’s eben nehmen!“
Brillenschlange kuschte, dafür schlug Flöhchen vor: „Dann gehen wir alle zusammen zum Hausmeister.“
„Ja“, pflichtete Männe ihm bei, „nicht schlecht!“
„Gegen so eine Übermacht ist der Alte machtlos.“
„Dann rückt er gleich das Leder raus.“
Dann stellte Georg die entscheidende Frage:
„Was hältst du davon, Willem?“
„Quark!“
Das war alles, was der dicke Willem sagte, doch das klang so abfällig, daß alle stutzten.
„Quark?“
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