September. Fata Morgana
bräuchte auch solche kultivierten Mittagessen nicht wie eben dieses hier in einem Restaurant in der Chestnut Street das wir dem unauffindbaren Geheimtipp dann doch vorziehen
brauche ich
ertrage ich jetzt
das letzte gemeinsame Mittagessen bei dem ich wenig sage und noch nicht einmal gut zuhöre die im Nachhinein so unverzeihliche Geistesabwesenheit teile ich wohl mit Amanda vielleicht dachte sie wie ich an den Grenzübergang Berlin-Friedrichstraße im August 1988 diese Selbstverständlichkeit mit der ich damals Amandas Ellbogen berührte Sabrinas Kopf drückte sich Schutz suchend gegen meinen Bauch wir nahmen den Zugang für US-Bürger und wurden sehr höflich behandelt
ein Aufflackern vielleicht in Amandas Augen eine kurze Nachgiebigkeit gegenüber dem nostalgischen Ausflug eine knappe ironische Parade etwa so als würde sie einem alten männlichen Bekannten gelten der für einen Augenblick aus seiner Freundesrolle fällt und ihr einen zu tief gehenden Blick zuwirft
in der Vergangenheit
gibt es keine Luft für uns
ganz gleich wie verzweifelt die Zukunft dort atmen möchte sich dort noch einmal und viel besser umsehen will immerhin habe ich ein sehr klares Bild meiner geschiedenen Frau an jenem Restauranttisch mir gegenüber zur Mittagsstunde ein stehendes und doch flackerndes Kippbild der Empfindung die für einige Sekunden Amanda in eine gar nicht mehr angebrachte lebendige Nähe bringt um sie gleich darauf weit abzurücken in die wunderliche und fast schon wieder bewundernde Distanz eines fremden Blickes auf eine energische Geschäftsfrau der man an dem Kontrast zwischen professionellem Make-up und schlichter Garderobe anmerkt dass sie ihrer Tochter einen Gefallen tun will eine jener vordergründig kühlen Blondinen deren träumenden Körper man sich selbstdann nicht recht vorstellen kann wenn man ihn eine halbe Stunde zuvor nackt in den Armen hielt scheinbar so gepanzert so
unverletzlich
jetzt
im Sommer
wo ich darunter leide dass ich Sabrina nicht so klar an dem Tisch sehen kann wie ihre Mutter weil sie links neben mir saß
ja dass ich
mich auch kaum an ihre Worte erinnere an ihre Überlegungen und heftigen Einwände meine (nostalgische) Abwesenheit und mein väterlicher Stolz nahmen nur ihre Gesten wahr und die Wirkungen die ihre Argumente auf den mir schräg gegenüber sitzenden Ölmann hatten dass er immer wieder beeindruckt dass er amüsiert und erstaunt bisweilen sogar betroffen aussah das
reichte mir schon aus
und verrückter- (später vielleicht verständlicher-)weise
behielt ich genau im Gedächtnis was er (der ebenfalls am MIT studiert hatte der sich mit einer für mich doch schwer erträglichen Mischung aus Expertendünkel und angemaßtem Vaterstolz meiner Tochter zuwandte) ihrer Kritik an der ölfressenden amerikanischen Gesellschaft entgegenhielt es hämmert noch heute in meinem Kopf (als wäre er schon jene schneebedeckte Gestalt im Sturm und schrie verzweifelt in sein Mobiltelefon) was er doch ganz ruhig ironisch geduldig Sabrina vorhielt dass es niemand genau wisse dass Öl eine begrenzte Ressource wäre dass andererseits historisch erwiesen sei wie die Magie des steigenden Preises immer wieder neue Techniken neue Quellen neue nunmehr profitable Erschließungsmethoden hervorgezaubert habe und verändertes Konsumentenverhalten bewirken könne sogar in den USA
Öl ist tief in der Erde vergraben so einfach so schwierig ist das (sagte Seymour)
halte dich an die Dinge
die vor dir in der Luft vergraben sind (im Vakuum der Vergangenheit)
Amanda und Sabrina an jenem helllichten Tag von dem ich lange Zeit dachte er müsse einer meiner glücklichsten werden da
Sabrina ihr Studium begann
Muna
Auf dem Heimweg kurz vor dem alten Haus meines Urgroßvaters das mit seinen schmalen Fensterschlitzen und dicken kühlenden Mauern wie eine kleine sandfarbene Burg oder ein Teil eines Indianer-Pueblos der Hitze trotzt
stolpert Achmed gegen mich
gejagt von seiner älteren Schwester Hind der er (wie sie entrüstet versichert) die ihr zustehende Portion Baklawa stibitzen wollte und ich nehme den Kleinen mit zu Farida in die Küche wo es immer etwas Süßes für ihn gibt
beim Wiederhinausrennen rempelt er mich erneut an ohne Dank quiekend vor Freude ein lustiges Räubergesicht mit Zahnlücke im oberen Kiefer und dicken Augenbrauen seine weichen Knochen schmerzen nicht beim Aufprall der energische Kinderkörper weckt mich nur auf und bringt mich in die Wirklichkeit
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in Faridas Küche
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