September. Fata Morgana
mir damals bezüglich dieses Urlaubs was Sabrina mit Blick auf unser Haus ihre alte Schule das ganze hinweggleitende vertraute Amherst meinte nämlich dass man gar nicht mehr heraus müsse dass man ebenso gut immer bleiben könnte ein naiver Gedanke den schon ein Blick über die Schulter widerlegt vom Heck her über die nach vorn geklappten Rücksitze des Ford bis zu den unwillig nachgebenden Lehnen der Vordersitze türmen sich die Kleider- undBücherkartons Sporttaschen Plastiktüten (Sabrinas Schlittschuhe in bedrohlicher Nähe zur Glasscheibe des in eine Daunenjacke gesteckten alten PC-Monitors es wurde Zeit für ein Notebook)
es ist wiederum
ein früher Septembertag
ein später Sommertag
kälter nässer gleißender (blendende Lichtschneisen über dem Highway Nr 90 auf den wir bei Springfield auffahren) als der heutige bald in der Erinnerung erstarrende Tag meines letzten Laufes für so lange Zeit
der Lauf ist
noch nicht zu Ende
das letzte Jahr ist
noch nicht angebrochen
die Grenzübertritte haben noch nicht einmal Silhouetten im Nebel der Zukunft
es würde ihr helfen sagt Sabrina dass wir gerade erst aus Europa zurückgekommen seien nach der fünfwöchigen Reise wäre sie einfach unterwegs geblieben habe sie ihre Koffer nur wieder umgepackt ich sehe unter dem Vorwand die rechte Spur beobachten zu müssen zu ihr hinüber erschrecke gleichermaßen über ihren Mut ihre Leichtigkeit den noch so mädchenhaften schmalen Körper an meiner Seite ich würde am liebsten das Steuer herumreißen und sie zurück nachhause fahren ich muss die klügere Instanz in mir wiederherstellen die es vor Kurzem noch lieber gesehen hätte wenn sie zum Studium weiter weggegangen wäre (nach Kalifornien wenigstens oder sogar nach Berlin) als sich Boston auszusuchen gewissermaßen den geografischen Kompromiss zwischen der Villa auf Long Island und dem Holzhaus in Amherst
in Cambridge
wo ich in einer Frühstückspension übernachtete um unseren Abschied hinauszuziehen offiziell aber nur wegen des geplanten Mittagessens am nächsten Tag mit Amanda und
dem Ölmann
wie Sabrina und ich ihn immer nannten als bestünde er von Kopf bis Fuß nur aus einer viskösen schwarz glänzenden Masse oder spiegelnden Flüssigkeit vielmehr die durch ein Wunder (der Petrochemie) zusammenhielt zu menschenähnlicher Gestalt
in Boston und Cambridge hatte sich der frühe Septembertag im Jahr 2000 zu einem klassisch schönen Sommertag entwickelt (übertrieben dreidimensionale Marmorwölkchen wie fliegende Steine vor dem Hintergrund einer stahlblauen Himmelsfläche) in einem neuen Jahrtausend ihr Studium zu beginnen erschien Sabrina weniger bemerkenswert als mir (der ich oft daran gezweifelt hatte so lange zu leben)
die ersten Stunden
betäubten wir uns mit Organisation schleppten Kartons packten aus räumten ein und ich versuchte nicht zu eifrig zu wirken um nicht den Anschein zu erwecken Sabrina loswerden zu wollen auch wenn ich in dem Augenblick in dem ich das Studentenwohnheim am Charles River sah (eines jener nüchternen fünfstöckigen Gebäude welche die klassische Brownstone-Architektur nachahmen nur etwas kantiger und transparenter so dass nichts verloren und nichts gewonnen scheint) den nicht wieder zu schließenden Riss der Trennung spürte
der noch einmal zugewachsen war als sie mit sechzehn beschlossen hatte zu mir nach Amherst zu ziehen und dort (zuhause) die Highschool zu beenden plötzlich so konzentriert und engagiert dass ihre MIT-Bewerbung angenommen wurde
der Riss ist nichts weiter als
das notwendigerweise vollkommen eigenständige Leben des anderen des eigenen Kindes
deiner Tochter die auf einem Kiefernholzsofa an deiner Seite zwischen halb ausgepackten Umzugskartons die Listen des MIT Housing studiert What’s in the room: Extra-long bed – Mattress – Desk – Desk-Chair – Bureau – Phone – Ethernet-Access – Waste baskets … What to bring: Adress book – Alarm clock – Aspirin or other
Pain
reliever
Sabrina greift nach ihrem einen Popsong dudelnden mobile es ist ihre Mutter die noch einmal unseren Termin für den kommenden Mittag bestätigt dessen Sinn mir unklar ist dem ich aber auch nicht ausweichen möchte (eine der Mutproben ähnelnden Amanda-Inszenierungen von Patchwork-Familien-Harmonie) und als Sabrina auflegt versetzt mich das Nachklingen von Amandas Stimme in dieser Umgebung so lebhaft in die Zeit in der wir gemeinsam in einem Wohnheim-Zimmer haustenbüffelten und uns liebten dass es mir so vorkommt
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