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September. Fata Morgana

Titel: September. Fata Morgana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lehr
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ersten Besichtigung so deplatziert erschien und mich ärgerte strömt im Nachhinein eine wohltuende Kraft aus (aber was hilft es schon) so wie mich die aufkommende Renaissance die solche architektonischen Kolosse schuf
    beruhigt
    und tröstet wie der Humanismus die Aufklärung denn das sind Entwicklungen Europas aus eigener Kraft und hiervon gebe ich keinen Zentimeter her für jene besonders radikale Spielart des Islam die ihren rigorosen tyrannischen Stumpfsinn über die Erde verbreiten möchte die
    MEINE TOCHTER ERMORDET HAT
    (beruhige dich mit
    wem sprichst du denn nur denke
    statt
    zu hassen)
    die Reconquista hier
    hat
    ihren Saladin dort
    aber dann schon ihre neuen osmanischen Herrscherdynastien und imOsten die Safawiden ein Fürstengeschlecht aus dem nordwestlichen Iran ich recherchiere möglichst genau wenn ich etwas nicht im Netz finde fahre ich in die Public Library und sei es auch nur für eine Definition oder ein Bild oder eine Skizze es ist nur die Unerbittlichkeit nein: die Zulänglichkeit
    meiner eigenen Antworten
    die gegen den Schmerz hilft und hin und wieder eine Nacht mit längerem Schlaf bringt
    wo war ich
    stehengeblieben?
    3000 Jahre gibt es uns doch noch gar nicht
    es gab einmal
    3000 Menschen
    was bleibt übrig was bleibt uns übrig (sagt Luisa) als Trauer und Scham und gezielte Verbrecherjagd und Einsicht in die eigene Schuld
    was bleibt übrig ich träume ich alpträumte
    der alte Goethe sei gekommen und wollte
    Sabrina heiraten
     
    Sehnsucht
     
    Erste Flamme, um zu werden,
    Brauchtest Du noch keinen Tod.
    Erbet’ner Gast auf 1000 Erden,
    Mit jedem Herzschlag Morgenrot.
     
    Bei jedem Deiner Schritte Licht,
    Du strahlender Besuch.
    Nichts verhüllt mir Dein Gesicht,
    Nur Körperstaub, ein fahles Tuch.
     
    Schmetterling, das kalte Feuer,
    Das Dich auslöscht in der Luft,
    Muss mit Dir sterben, denn im Himmel,
    Gibt es weder Grab noch Gruft.
     
    Seither hält Dich still die Erde,
    Als Phosphor tief in sich versteckt.
    Doch wenn ich einst zur Flamme werde,
    Hab’ ich Dich in mir entdeckt.

 
    Muna
     
    Das Nachmittagslicht (warm fast schon honigfarben)
    leuchtet uns entgegen
    Sami und mir so dass die
    Gegenseite im Gegenlicht seltsam verklärt erscheint (als wäre das noch nötig) übergossen von vorabendlicher Milde es ist als löste sich jetzt alles im
    Tee der Luft
    es ist (noch) still an diesem Freitag das Wochenende beruhigt Bagdad wie ein übergeworfenes Tuch einen wilden Papagei im Käfig
    gegenüber sitzen der kleine struppige Achmed seine plumpe lustige Schwester Hind und Yusuf der Älteste der schlanker geworden ist mit seinen siebzehn Jahren während
    Du
    noch stehst zwischen einem Feigen- und einem Ginkobäumchen in einem ganz besonderen unsichtbaren blendenden (nur mich blendenden) gegenströmenden warmen Sonnenglanz dem die Nachtigallen Schmetterlinge schmerzhaft leuchtenden schillernden Paradiesvögel metallischen Kolibris in meinem Herzen im Serail meiner Brust
    zuflattern
    das alte Haus meines Urgroßvaters und das der Rikabis stehen so nahe beieinander dass man mit einem leichten Sprung vom Dach des einen zum Dach des anderen kommt man kann sich von hier nach dort unterhalten als säße man an einem Tisch ganz ungestört denn zur Straße hin riegelt ein Tor den schmalen Zugang zu den selten benutzten Seitentüren ab und über diesen geschlossenen Zugang hinweg spricht man seit Jahrzehnten schon (sagt Tarik) miteinander als sei der gemeinsame Tisch gerade von der Erde verschluckt worden über einen kleinen Abgrundvon drei Metern Tiefe hinweg indem man sich nah an die niedrigen Brüstungsmauern stellt oder einfach darauf setzt wie Hind und Yusuf und Achmed
    wie Sami und ich auf der Gegenseite während Du immer noch zwischen den von Abu Yusuf liebevoll und fachkundig aufgestellten gepflegten Zierbäumchen und Büschen stehst als zähltest Du die Ginkoblätter (keines ist wie das andere sagt man) oder versuchtest durch die Rückseite der hohen Gebäude der Saadun-Straße bis zum Tigris hinab zu sehen den sie verbergen Du bist als Soldat angekommen im Sommer in Deiner grünen Uniform erschöpft müde und erleichtert weil Du Deinen Pflichtdienst hinter Dir hattest und jetzt hier unterkommen konntest im Haus des entfernt mit Dir verwandten Abu Yusuf der Dir preiswert ein Zimmer vermietet für
    ein ganzes Studium (wünschte ich)
    Du siehst jetzt schon so aus wie ein Student (in Jeans und wasserblauem Hemd) setz Dich (Geliebter!) neben den kleinen großäugigen strubbeligen

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