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September. Fata Morgana

Titel: September. Fata Morgana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lehr
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Sechsundzwanzigjährige
    right place right time
    Schach
    oder auch nicht
    wir hatten und haben nichts (mehr) gegeneinander auszuspielen als ich das Zimmer verließ nahm ich im Fahrstuhl die falsche Richtung und fuhr bis zum Dach mit einem Krankenpfleger der eine Zigarette rauchen wollte und mich mitnahm nachdem er mich wohl meines Gesichtsausdrucks wegen gefragt hatte ob ich
    jemanden verloren habe (guter Verlierer
    erneut) und ich dies bestätigte
    er fragte dann nicht weiter rauchte nur an meiner Seite durch die gelben Metallstäbe die dort oben den Blick auf den Hudson wie das Gittereines Affenkäfigs zerteilten bis man das erhitzte Gesicht zwischen zwei davon drängte ich spürte das von professioneller Müdigkeit halbierte stumme und von mir halb zu Recht erschlichene Mitleid des Krankenpflegers und vergaß es beim Blick auf den
    märzgrauen Fluss
    man sah weit über die Hausdächer und die große Brücke nach Jersey hinüber und auch nach Nordosten hin über den zunächst noch steinern verpanzerten Riesenhummer Long Island Ausblicke durch den Schmerz wie durch eine vollkommen durchsichtige aber meterdicke Trennwand erinnerte ich mich an ähnliche und noch weiter reichende Ausblicke (mit der schwangeren Amanda vom World Trade Center aus November 1981 die Türme waren erst fünf Jahre alt kein Gedanke daran dass einer von uns einmal in einem solchen Ungetüm arbeiten würde sterben würde diese fast puppenhaft schöne Studentin in einem hellroten Siebziger-Jahre-Parka mit Pelzrand um die Kapuze ihr sanft und oval vorgewölbter Bauch hinter meterdickem
    Glas)
    die Blicke mit der elfjährigen Sabrina vom Empire-State-Building aus wo kletterte King Kong empor ich bin der
    Vater-Affe
    hinter gelben Gitterstäben
    unter mir hundert offene Herzen in den Operationssälen ich will
    die Kriegs-Bananen von George W. Bush nicht fressen
    solche Ausblicke auf die kompakte riesige Häusermasse von Manhattan hatten mich immer erschreckt und zugleich begeistert sie sagten mir dass ich hier nichts zu suchen (nichts zu verlieren) hatte und nichts zu tun dass es hier kein Mitleid für mich gab (der schmächtige graugesichtige Krankenpfleger hatte seine Zigarette aufgeraucht und wartete auf mich)
    und andererseits doch immer auch das Frische Grandiose und Mitreißende den
    verheißungsvollen
    Aufbruch Amerikas neue Luft neue Himmel am mächtigen hellblauen Atlantik der Generationen- und Millionengesang von
    Walt Whitman, a kosmos, of Manhattan the son
    Blick zum fischförmigen Paumanok auf dem er geboren wurde eineinziges Mal traf ich mich mit Sabrina auf Long Island (fuhr aber nicht bis zur Hummerschere nach East Hampton wo mich der Anblick der großartigen Sommerresidenz von Seymour und Amanda vielleicht doch entzweigeschnitten hätte)
    Sabrina (sechzehn- oder siebzehnjährig) mochte das schlichte aber gut durchdachte Holzhaus sehr das Whitmans Vater eigenhändig erbaut hatte sie wollte gerne darin wohnen in dem kleinen Vorbau mit der weißen Tür und den beiden frisch lackierten Fenstern
    wir (WIR)
    könnten dann das Hauptgebäude beziehen
    und sie überging sogleich diesen Fehler mit einem Lächeln und einem kurzen Winken vor ihren Augen als wäre ein Blatt dicht vor ihr herabgefallen oder als hätte sich ein Spinnwebfaden in ihr Haar verirrt
    immer wieder besuchte ich mit ihr die Häuser von Dichtern und weiß heute nicht mehr weshalb es geht doch nicht um die Häuser es geht um das Land um die Menschen
     
    One’s Self I sing, a simple separate person
    Yet utter the word Democratic, the word En-Masse
     
    nicht mehr nicht weniger als alle Bewohner des Landes sein
    weshalb nur des einen (weil es neu ist)
    der Krankenpfleger berührte mich an der Schulter Krankenpfleger auf den Schlachtfeldern in den Lazaretten bei den planierten Ruinen der Türme ich hätte auch etwas anderes lernen können als Besichtiger von Häusern von Dichtern der großartige Whitman hatte es gekonnt aber hätte ich es ertragen
    drei Mal habe ich Seymour in der Klinik besucht (öfter als seine Kinder) und keiner von uns wunderte sich darüber

 
    Tarik
     
    Bezüglich des Mittagsschlafes wurde ich schon länger nicht mehr konsultiert ich erinnere mich aber noch an das ein oder andere Regimen sanitatis von Galen oder Maimonides dem zufolge man mäßig im Essen sein und sich nach dem Mahle erheben solle statt zu ruhen wobei man tunlichst weder den Harn verhalte noch die Hinterbacken zusammenkneife und auch Ibn Sina warnte vor Podagra Schnupfen und Hauptweh

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