Septimus Heap 04 - Queste
die Versammlung vollzählig.«
Erfreut, da alle Augen auf ihn gerichtet waren, machte der Geist DomDaniels eine überschwängliche Verbeugung zu seinem Publikum hin, und da er für einen Moment vergaß, dass er ein Geist war, wollte er seinen spitzen Hut abnehmen, doch seine Geisterhand griff einfach ins Leere. Leicht verwirrt richtete er sich wieder auf, und im Bestreben, im Mittelpunkt des Geschehens zu bleiben, schlurfte er hinüber zu Septimus und Marcia, die unsicher auf der Treppe standen und zusahen, wie die Menge dem dicklichen Geist eine Gasse freimachte. DomDaniel grüßte die drei auf der Treppe mit einer weiteren Verbeugung, sah diesmal aber davon ab, nach seinem Hut zu fassen. Marcia erwiderte sein schmieriges Grinsen mit einem grimmigen Blick.
Tertius Fume ergriff das Wort. »Diese hochwichtige Versammlung ist einberufen worden aus Anlass der Ziehung für die einundzwanzigste Lehrlingsqueste.«
Ein erstauntes Raunen erhob sich unter den versammelten Geistern, und besonders laut unter den neunzehn, die ihre Lehrlinge durch die Queste verloren hatten.
»Das ist doch lächerlich«, raunzte Marcia.
»Ich an Ihrer Stelle würde die Versammlung nicht lächerlich nennen, Miss Overstrand.« Beifälliges Gemurmel antwortete ihm, und Marcia begriff, dass sie vorsichtig zu Werke gehen musste.
»Sie verstehen mich absichtlich miss, Mr. Fume. Lächerlich ist allein der Gedanke, dass Septimus das Los für die Queste ziehen soll: Selbst Sie müssten eigentlich wissen, dass erst in der allerletzten Stunde der Lehrzeit gezogen wird. Mein Lehrling, Septimus Heap, steht erst am Beginn seines dritten Lehrjahres, daher kommt er für die Ziehung nicht in Frage.«
Tertius Fume feixte. »Dass die Ziehung am Ende der Lehrzeit stattfindet, ist nichts weiter als ein Brauch, der sich eingebürgert hat. Die Ziehung kann jederzeit angeordnet werden.« Darauf erhob er seine Stimme und rief laut das Losungswort für die Tür. Ein Aufschrei der Empörung ging durch die Reihen der Gewöhnlichen Zauberer. Das Losungswort für den Turm wurde niemals laut gerufen – dies galt als sehr unschicklich und brachte nach allgemeiner Meinung Unglück. Doch die Tür des Zaubererturms besaß nicht das Feingefühl seiner Bewohner und öffnete sich gehorsam, und zu seinem Erstaunen sah Tertius Fume, dass die Questenurne einsam und verlassen auf der obersten Stufe der Treppe stand wie der letzte Gast eines Festes. Ein paar jüngere Gewöhnliche Zauberer kicherten.
Wieso, fragte sich der Geist der Gewölbe mit aufwallendem Zorn, stand die Urne alleine da? Wo steckte dieser Schwachkopf von Schreiber?
Mit einem kraftvollen Satz, wie er ihn zu seinen Lebzeiten niemals gewagt hätte, sprang Tertius Fume von der Wendeltreppe, schritt durch die Menge und blieb genau in der Mitte der Großen Halle stehen. »Sie da!«, brüllte er Hildegard an, die der Tür am nächsten stand. »Holen Sie die Questenurne herein!«
»Nicht so hastig, Fume«, warf Marcia dazwischen. »Sie haben eine Kleinigkeit vergessen – eine Stimme unter vielen. Ihre Stimme mag sehr laut sein, aber sie ist trotzdem nur eine. Was ist mit den vielen? Was hat die Versammlung dazu zu sagen?«
Tertius Fume stieß einen lauten Seufzer aus und wandte sich widerwillig an die Versammlung. »An alle hier zusammengekommenen Geister: Ist es euer Wunsch, dass die Questenurne hereingebracht werden soll?«
Die über siebenhundertfünfzig Geister hatten ihr gemütliches Zuhause an diesem stürmischen Abend – die einzige Art von Wetter, die Geistern zu schaffen machte – keinesfalls für nichts und wieder nichts verlassen. Nur einundzwanzig waren dagegen – die neunzehn Außergewöhnlichen Zauberer, die durch die Queste ihre Lehrlinge verloren hatten, sowie Alther und Marcia. Die überwältigende Mehrheit hingegen wünschte, dass die Urne hereingebracht wurde.
Ein großer blauer Kreis mit einem Q in der Mitte erschien auf dem erleuchteten Fußboden direkt unter den Füßen Tertius Fumes, der daraufhin eilends zurücktrat. Mit einem entschuldigenden Blick in Richtung Marcia stellte Hildegard die Urne in den Kreis.
Die Questenurne war ein schönes Gefäß, groß und elegant. Der blaue Lapislazuli leuchtete im Kerzenlicht, und die polierten Goldbänder, die sie umschmiegten, strahlten ebenso hell wie der große goldene Stöpsel, der oben in der Öffnung saß. Mit Schaudern dachte Marcia daran zurück, wie sie am letzten Morgen ihrer Lehre bei Alther Mella diesen Stöpsel gezogen hatte.
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