Septimus Heap 04 - Queste
an. Die Halle knisterte vor Spannung. Septimus betrachtete die Urne, die fast so groß war wie er selbst, und ihm war, als erwidere sie seinen Blick. Er dachte an Marcias Worte und zögerte. Irgendetwas stimmte hier nicht – er spürte eine dunkle Kraft in der Nähe. Nein, nicht in der Nähe. Da war eine dunkle Kraft in der Urne!
Tertius Fume riss die Geduld. »Zieh das Los«, befahl er.
Septimus rührte sich nicht.
»Bist du taub, Junge?«, fragte Tertius Fume. »Du sollst ziehen!«
Septimus hob die rechte Hand, als wollte er den Stöpsel aus dem Questentopf herausziehen, doch stattdessen formte er mit Zeigefinger und Daumen einen Kreis – das Zeichen, das gewöhnlich einen Sehzauber begleitet, und zwar einen fortgeschrittenen, der befähigt, durch Edelmetalle und Steine hindurchzusehen.
»Betrug!«, rief Tertius Fume. »Du versuchst, in die Urne zu sehen, du Betrüger!«
»Nicht ich bin der Betrüger«, rief Septimus mit klarer Stimme in die betroffene Stille hinein. »Nicht ich habe ein Gespenst in der Urne versteckt, damit es mir den Questenstein in die Hand legt.«
Tertius Fume verschlug es vor Zorn fast die Sprache. »Wie kannst du es wagen? Ich gebe dir eine letzte Chance, deinen Fehler wiedergutzumachen. Entferne den Stöpsel und ziehe ... das ... Los!«
»Das werde ich nicht tun.«
»Doch, du wirst!« Tertius Fume sah aus, als würde er gleich platzen.
»Nein, wird er nicht!«, ertönte Marcias Stimme dicht neben ihrem Lehrling.
»Soll das heißen, Sie und Ihr Lehrling wollen sich dem Beschluss der Versammlung widersetzen?«, fragte Tertius Fume fassungslos.
»Das soll heißen, dass mein Lehrling nicht ziehen wird«, entgegnete Marcia. »Und wenn wir uns damit dem Beschluss der Versammlung widersetzen, dann kann ich auch nichts daran ändern.«
Lautes Gemurmel ging durch die Reihen – war so etwas schon einmal vorgekommen? Niemand konnte sich erinnern. Viele fühlten mit Marcia, doch eine Gruppe von Geistern, denen die Regeln heilig waren, reagierte mit Empörung. Das Gemurmel schwoll zu einem lärmenden Durcheinander an, hitzige Diskussionen entbrannten.
»Ruhe!«, brüllte Tertius Fume und funkelte Septimus drohend an. »Ich gebe dir eine allerletzte Chance, die Regeln der Versammlung zu achten, oder die Angelegenheit wird schwerwiegende Folgen haben. Zieh ... das ... Los!«.
Septimus geriet ins Wanken. Vielleicht sollte er doch ziehen. Brachte er nicht alle in Gefahr, wenn er es nicht tat? Da drückte ihm Marcia die Schulter, und er hörte sie flüstern: »Nein, tu es nicht.«
»Nein«, rief er laut, »ich tu es nicht.«
Das kurze Erstaunen in Tertius Fumes Blick machte sogleich der Wut Platz. »Dann«, bellte er, »bleibt mir keine andere Wahl, als den Zaubererturm so lange unter Belagerung zu stellen, bis du die Regeln der Versammlung anerkennst.«
Marcias grüne Augen funkelten zornig. »Das werden Sie nicht wagen«, schleuderte sie Tertius Fume entgegen, und ihre Stimme zitterte vor Erregung.
Tertius Fume dachte, ihre Stimme zittere vor Angst, und lachte. »Und ob ich es wage«, rief er und begann, mit rasender Geschwindigkeit eine Zauberformel aufzusagen. Die Gewöhnlichen Zauberer stöhnten erschrocken auf.
»Rasch, Septimus«, flüsterte Marcia, »du musst fort. Durch die Eistunnel, du kennst den Weg. Verlasse die Burg, geh zu Tante Zelda oder zu deinen Brüdern im Wald. Wenn die Gefahr vorüber ist, komme ich dich holen, wo immer du auch sein magst – das verspreche ich.«
»Aber ...«
»Septimus, es dauert nur zwei Minuten und neunundvierzig Sekunden, den Turm unter Belagerung zu stellen. Geh!«
»Du musst verschwinden«, bekräftigte Alther, der plötzlich hinter ihm war. »Und zwar sofort!«
Marcia löschte mit einem Zauber alle Kerzen, und einige zarter besaitete Zauberer schrien auf. Die Halle versank in Dunkelheit, und nur die traurigen Bilder, die über die Wände flimmerten, spendeten noch etwas Licht. Doch Tertius Fume ließ sich davon nicht beirren. Nun, da er die Belagerungsformel fast zur Hälfte heruntergeleiert hatte, war er nicht mehr aufzuhalten. Die alten magischen Worte erfüllten die Halle. Den Lebenden jagten sie Schauder über den Rücken, und selbst einigen Toten flößten sie Furcht ein.
»Sep!« Jenna fasste Septimus an der Hand und zog ihn durch die Menge. Manche Geister traten beiseite, um sie vorbeizulassen. Viele blieben jedoch stehen und wurden passiert, doch ihr Wehgeschrei ging in der immer lauter werdenden Beschwörung Tertius Fumes
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