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Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition)

Titel: Serafina – Das Königreich der Drachen: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hartman
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Fußgelenk zu packen. Ich starrte benommen auf den Boden, der schwankte und wackelte.
    Dann nahm mich mein Vater, legte seine großen Hände um meinen dicken, kleinen Leib und hielt mich auf Armeslänge von sich, als würde er einen seltenen Frosch betrachten. Ich blickte in seine meergrünen Augen mit den Trauerfalten.
    Wortlos eilte der Priester auf und davon, ohne mich gesegnet zu haben. Orma sah ihm nach, wie er hinter dem Goldenen Haus verschwand, dann sagte er: »Claude, erkläre mir das. Ist er jetzt gegangen, weil du ihn davon überzeugt hast, dass seine Religion Schwindel ist? Oder war er … wie sagt man … beleidigt?«
    Mein Vater überhörte die Frage, etwas an mir nahm seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. »Sieh dir ihre Augen an. Ich könnte schwören, sie versteht uns.«
    »Für ein Kind hat es einen sehr klaren Blick«, sagte Orma. Er setzte seine Brille auf und beugte sich zu mir herab, sodass er mich auf gleicher Höhe begutachten konnte. Er hatte dunkelbraune Augen, wie ich auch, aber anders als meine waren seine Augen kühl und unergründlich wie der Nachthimmel.
    »Ich war dieser Aufgabe nicht gewachsen, Serafina«, sagte Papa ungewohnt zärtlich. »Vielleicht werde ich ihr auch nie gewachsen sein, aber ich glaube, dass ich es besser kann. Wir müssen eine Möglichkeit finden, einander eine Familie zu sein.«
    Er küsste den Flaum auf meinem Kopf. Das hatte er noch nie getan. Erstaunt sah ich ihn an. Die klaren Stimmen der Mönche hüllten uns ein und hielten uns drei zusammen. Für einen kurzen, wunderbaren Augenblick verspürte ich wieder das Gefühl, das mit meiner Geburt verloren gegangen war: Alles war so, wie es sein sollte, und ich war genau dort, wo ich hingehörte.
    Dann war der Moment auch schon vorbei. Wir schritten durch das bronzebeschlagene Kirchenportal und ließen die Musik hinter uns. Orma ging quer über den Vorplatz der Kathedrale davon, ohne sich zu verabschieden, sein Umhang flatterte wie die Flügel eines riesigen Fledermausjungen. Papa gab mich wieder der Amme, schlang den Mantel fest um sich und stemmte sich gegen den böigen Wind. Ich weinte ihm nach, aber er wandte sich nicht einmal um. Über uns wölbte sich der Himmel, leer und sehr weit entfernt.

    Abergläubischer Hokuspokus oder nicht – was uns der Psalter sagen wollte, war klar: Die Wahrheit darf man nicht aussprechen. Hier ist eine akzeptable Notlüge.
    Dabei war die Heilige Capiti – möge sie mich in ihrem Herzen bewahren – alles andere als ein armseliger Ersatz. Im Gegenteil, sie war eine vortreffliche Heilige. Sie trug ihren eigenen Kopf auf einer Schale vor sich her wie eine gebratene Gans und starrte einen von der Buchseite geradezu herausfordernd an. Sie verkörperte den Geist und damit die größtmögliche Trennung von den elenden Alltäglichkeiten des Leibes.
    Je älter ich wurde und je mehr mich die Albernheiten des Körpers in Beschlag nahmen, desto größeren Gefallen fand ich an dem Bild, aber selbst in meinen jungen Jahren hatte ich stets eine tiefe Zuneigung für die Heilige Capiti verspürt. Wer liebte schon jemanden mit abgeschlagenem Kopf? Wie konnte sie in dieser Welt etwas Sinnvolles vollbringen, wenn sie doch ihre Hände dazu brauchte, die Schale zu halten? Gab es Menschen, die sie verstanden und die sie als ihre Freundin bezeichneten?
    Papa erlaubte meiner Amme, die Seiten mit der Heiligen Yirtrudis zusammenzukleben, denn die arme Frau hatte keine ruhige Minute mehr, ehe dies nicht getan war. So konnte ich niemals wieder einen Blick auf die Häretikerin werfen. Wenn ich jetzt die Seite gegen das Licht hielt, sah ich zweierlei Umrisse, beide verschmolzen zu einer schrecklichen Monster-Heiligen. Die ausgestreckten Arme von Yirtrudis ragten der armen Capiti aus dem Rücken wie zwei nutzlose Flügel. Die Umrisse ihres Gesichts zeichneten sich dort ab, wo der Kopf der Heiligen Capiti hätte sein sollen. Sie war die doppelte Heilige meines Doppellebens.
    Letztlich lockte mich meine Liebe zur Musik weg aus dem sicheren Hause meines Vaters in die Stadt und an den königlichen Hof. Ich nahm hierfür ein entsetzliches Wagnis auf mich, aber ich konnte nicht anders. Ich verstand noch nicht, dass ich die Einsamkeit in einer Schale vor mir hertrug und Musik das Licht war, das mich von hinten erleuchten würde.

Eins
    I m Zentrum der Kathedrale stand ein Modell des Himmels, das Goldenes Haus genannt wurde. Sein Dach entfaltete sich wie eine Blüte um eine Höhlung in Menschenform, in der Prinz

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