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Serafina - Das Königreich der Drachen - Wie alles begann ... (German Edition)

Serafina - Das Königreich der Drachen - Wie alles begann ... (German Edition)

Titel: Serafina - Das Königreich der Drachen - Wie alles begann ... (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hartman
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Schlupfling rührte sich nicht. Orma berührte einen seiner eigenen Ohrringe und setzte ihn in Gang.
    Drachen-Ohrringe waren ganz erstaunliche kleine Geräte. Man konnte damit sehen, hören und sich über große Entfernungen hinweg unterhalten. Ein Saarantras konnte damit Hilfe herbeirufen, aber auch von seinen Vorgesetzten überwacht werden. Orma hatte einmal seine Ohrringe abgenommen, um sie mir zu zeigen; es waren technische Apparate, aber die meisten Menschen hielten sie für Teufelszeug.
    Einer der Söhne, der vor lauter Gebrüll schon ganz rot angelaufen war, schnauzte den Schlupfling an: »Dir wird es noch leid tun, dass du dich jemals aus deiner Höllengrotte hervorgewagt hast, du schmieriger Quig.«
    »Ich bin kein Quigutl, ich bin ein Saar«, sagte der Schlupfling mit einer Stimme, die wie eine verrostete Türangel klang.
    »Warst du es, der Prinz Rufus den Kopf abgebissen hat, du elender Wurm?«, fragte ein muskelbepackter Bootsmann, der ebenfalls zu den Söhnen Sankt Ogdos zählte. Er packte den dürren Arm des Umzingelten so fest, als wollte er ihn entzweibrechen.
    Der Saarantras zappelte wild, wie um sich aus seiner schlecht sitzenden Kleidung herauszuwinden. Die Söhne wichen vor ihm zurück; sie dachten wohl, ihm würden jeden Moment Flügel, Hörner und ein Schwanz wachsen. Er strich sich das dünne Haar aus dem Gesicht und sagte: »Der Vertrag verbietet es uns, Menschen die Köpfe abzubeißen, aber ich will nicht vorgeben, dass ich vergessen hätte, wie sie schmecken.«
    Die Söhne hätten sich über jeden Vorwand gefreut, um ihn zu verprügeln, aber was er ihnen soeben geliefert hatte, war so entsetzlich, dass sie einen Herzschlag lang wie gelähmt dastanden.
    Plötzlich erwachte der Mob mit tierischem Gebrüll zum Leben. Die Söhne bedrängten den Schlupfling und stießen ihn erneut gegen das Geländer. Ich sah eine Schramme auf seiner Stirn, ein Rinnsal silbernen Blutes lief ihm über das Gesicht, dann hatte mich die Menge ganz eingeschlossen und mir die Sicht genommen.
    Ich drängelte mich durch die Schaulustigen und suchte einen Blick auf Ormas strubbeliges schwarzes Haar und seine Adlernase zu erhaschen. Eine aufgesprungene Lippe und sein silbernes Blut, das daraus hervorquoll – mehr hätte der Pöbel nicht gebraucht, um sich auch auf ihn zu stürzen. Ich rief seinen Namen, schrie ihn hinaus, aber in dem Tumult konnte er mich unmöglich hören.
    Plötzlich erschollen laute Rufe und vom Vorplatz der Kathedrale kamen Pferde herangaloppiert. Endlich zogen die Wachen mit dröhnenden Dudelsäcken auf. Sankt Ogdos Söhne warfen ihre Hüte in die Luft und tauchten in der Menge unter. Zwei sprangen über das Geländer der Brücke, aber ich hörte nur einen ins Wasser platschen.
    Orma hatte sich neben den zusammengekrümmten Schlupfling gekniet. Ich eilte zu ihm, vorbei an den vor der Garde fliehenden Leuten. Ich wagte es nicht, Orma zu umarmen, aber ich war so erleichtert, dass ich mich ebenfalls hinkniete und seine Hand nahm. »Allen Heiligen sei Dank!«
    Orma wehrte mich ab. »Hilf mir, ihn auf die Beine zu bringen, Serafina.«
    Ich ging um den Verletzten herum und nahm ihn beim Arm. Er starrte mich dümmlich an. Sein Kopf rollte auf meine Schulter und sein silbernes Blut befleckte meinen Mantel. Ich kämpfte einen Anflug von Übelkeit nieder. Wir halfen dem verletzten Saar wieder auf die Füße und stützten ihn, aber er wies unsere Hilfe ab und blieb alleine stehen, schwankend in dem beißend kalten Wind.
    Der Hauptmann der Garde, Prinz Lucian Kiggs, kam auf uns zu und die Menschenmenge wich vor ihm zurück wie das Wasser vor der Heiligen Fionnuala. Er trug noch seine Trauerkleidung, einen kurzen weißen Überrock mit langen Flügelärmeln, aber sein tiefer Kummer war deutlicher Verärgerung gewichen.
    Ich zog Orma am Ärmel. »Lass uns gehen.«
    »Ich kann nicht. Durch meinen Ohrring weiß die Botschaft, dass ich hier bin. Ich muss bei dem Schlupfling bleiben.«
    Ich hatte den Prinzen schon mehrfach bei Hofe gesehen, aber stets aus der Ferne und in den von Menschen wimmelnden Hallen. Als mich Viridius der Königin vorstellte, war er nicht dabei gewesen. Er galt als schlauer und gerissener Ermittler, der seine Pflichten sehr ernst nahm, aber viel verschlossener war als sein Onkel. Auch mit dessen gutem Aussehen konnte er nicht mithalten – er hatte nicht einmal einen Bart –, aber als ich ihn nun aus der Nähe sah, fand ich, dass seine klugen Augen dies mehr als wettmachten.
    Ich blickte weg.

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