Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
Vom Netzwerk:
Spielschulden, die ihm im Nacken saßen, nicht so immens gewesen wären, hätte er vielleicht eins und eins zusammengezählt. So aber hatte er sich benutzen lassen. Und jetzt musste er einsehen, dass er zum Handlanger eines Mörders geworden war.
    Mehr noch: zu einer Marionette in den Händen eines Monsters.
    »Ich dachte, Ihr liebt diese Frau«, flüsterte er.
    »Katharina.« Jetzt trat der Mann auf die Stufe, auf der das Buch lag. Er bückte sich danach, hob es aber nicht auf. »Das ist auch so.«
    Zeuner schaute ihn an. Ein großer federgeschmückter Hut verbarg das Meiste seiner Züge, und das, was zu sehen war, Kinn und Mund, enthüllte die schwache Kerze nur unzureichend. Wer war dieser Mann?, dachte er. Seine Blase fühlte sich heiß an und schwer. Er suchte nach einem Halt. »Darum habt Ihr als Letztes versucht, diesen Richard Sterner zu töten. Weil er zwischen Euch und Katharina stand.«
    »Ihr seid ein kluger Kerl!« Der Mann richtete sich wieder auf, zog seinen federgeschmückten Hut vom Kopf. Rotblondes Haar kam zum Vorschein, und Augen, die einen spöttischen Ausdruck hatten.
    Zeuner wich einen Schritt zurück. Sein Herz lag plötzlich wie ein Stein in seiner Brust. Das Grauen unten in den Felsengängen war nichts im Vergleich zu dem Grauen hier oben, dachte er.
    Der Mann lächelte. Es war ein schiefes Lächeln, eines, das auf Frauen mit Sicherheit große Faszination ausübte. Seine Hand schwebte auf einmal ausgestreckt vor Zeuner.
    Der blinzelte.
    Der Mann lachte leise. »Ich wollte Euch für Eure Hilfe danken. Schlagt ein!«
    Aber Zeuner machte einen weiteren Schritt rückwärts. Wieder griff er nach dem Schwertknauf, und schlagartig wurde ihm klar, dass es viel zu lange dauern würde, die Klinge zu ziehen.
    »Was hat Nürnberg Euch getan, dass Ihr es so züchtigt?«, hauchte er.
    Der Mann zuckte die Achseln. »Oh, Enzo Pömer wollte es züchtigen. Ich habe andere Gründe, mein Lieber. Die allerbesten Gründe. Aber sie gehen Euch nichts an.«
    Und im nächsten Moment explodierte ein eisiger, brutaler Schmerz in Zeuners Leib. Er schrie auf, blickte an sich herunter. Ein Wurfdolch steckte bis zum Heft in seiner Bauchdecke.
    Fassungslos richtete er den Blick auf den Mann.
    »Warum?«, konnte er noch hauchen, dann brach er in die Knie. Der Mann kam die letzte Stufe herunter, durchquerte den Raum und beugte sich über ihn. Mit einem Ruck zog er ihm den Dolch aus dem Leib. Von der Klinge tropfte das Blut dicht vor Zeuners Gesicht zu Boden.
    »Weil ich Euch jetzt nicht mehr brauche«, antwortete er in liebenswürdigem Ton.
    Vor Zeuners Augen wallten rote Schleier. »Wer ... bei allen Heiligen ... seid Ihr?«
    Das Gesicht mit dem schiefen Lächeln war nun ganz dicht vor ihm. Schatten erhoben sich am Rand seines Gesichtsfeldes und schoben sich in die Mitte. Alles ringsherum verschwamm zu einem undeutlichen Schemen. Allein die Augen des Mannes blieben scharf, und seine Stimme hatte nichts Menschliches mehr, als er flüsterte: »Mein Name ist Egbert Jacob.«
    Es war das Letzte, was Jörg Zeuner in seinem Leben hörte.
    Die Schwärze umfing ihn, und sie war endgültig.

Nachwort
    Vielleicht sind Sie beim Lesen des Romans über einige Dinge gestolpert – recht wahrscheinlich sogar, wenn Sie zufällig in Nürnberg wohnen. Ich habe mich bemüht, die historischen Gegebenheiten der Stadt im späten 15. Jahrhundert so genau wie möglich wiederzugeben, aber aus dramaturgischen Gründen habe ich mir an einigen Stellen doch erlaubt, die Realität etwas zu verbiegen.
    Die Felsengänge sind, soweit ich es bei meinen Recherchen in Erfahrung bringen konnte (ich habe einige von ihnen selbst bewandert), bei weitem nicht so ausgedehnt, wie ich es beschrieben habe. Der Gang von Pömers Haus zur Lochwasserleitung existiert nur in meiner Fantasie, und auch die Höhle unter dem Burgberg und der Brunnen darin sind erfunden.
    An einigen Stellen lasse ich die Figuren von einem »Beweis« reden, und ich habe dies mit einigen Bauchschmerzen getan, weil mir bewusst ist, dass es im 15. Jahrhundert noch keine moderne Polizeiarbeit gab, wie wir sie heute kennen. Dennoch stammt das Wort »Beweis« etymologisch gesehen aus dem Altgermanischen und Mittelhochdeutschen und wurde im 15. Jahrhundert bereits in der Finanzsprache im Sinne von »als wahr, richtig nachweisen« gebraucht. Aus diesem Grund habe ich mir erlaubt, es an einigen Stellen in der verwendeten Form einzufügen.
    Die Frage, ob es realistisch ist, dass im 15. Jahrhundert jemand

Weitere Kostenlose Bücher