Seraphim
vergiften.«
»Arnulf! Sprich es ruhig aus.« Richard starrte gegen die Wand, und Katharina wusste um den Schmerz, den ihm die Erwähnung des Freundes bereitete. »Ich glaube nach wie vor nicht, dass er es getan hat«, fügte er hinzu.
Katharina dachte an Arnulfs letzte Momente in der Höhle. Sie hatte seinen letzten Wunsch, Richard um Verzeihung zu bitten, bisjetzt nicht erfüllt, und beim Anblick der Trauer in Richards Blick entschloss sie sich, es auch nicht zu tun. Allein der Verlust des Freundes war für ihn schon schmerzhaft genug. Erfahren zu müssen, dass Arnulf tatsächlich seine Finger in diesem Spiel gehabt hatte, wollte sie Richard ersparen.
Schedel kannte nicht so viele Skrupel. »Arnulf war als Nachtrabe ein geübter Einbrecher. Er drang in das Refektorium ein und schüttete ein wenig Gift in den Krug, der den Inquisitoren vorbehalten war.« Sein Mund war schmal.
»Darum hatten einige der Brüder und ich in dieser Nacht ebenfalls Visionen!«, rief Bruder Johannes aus. »Krainer hatte uns eingeladen, an seinem Tisch Platz zu nehmen, um ein wenig zu disputieren. Wir haben mit ihm gemeinsam aus dem vergifteten Krug getrunken!«
Schedel nickte. »In derselben Nacht tötete Lorenz zum ersten Mal.« Er sah Katharina in die Augen. »Matthias. Euren Bruder. Ich kann mir das nur so erklären, dass Lorenz irgendwie mit seinem eigenen Gift in Berührung gekommen sein muss. Was die Stimmen in seinem Kopf stark genug werden ließ, um ihn zu lenken.«
»Ich weiß, was geschehen ist!« Vor Aufregung stieß Bruder Johannes den Finger in die Luft. »In jener Nacht: Ich bin einem der Inquisitoren begegnet, der frisches Wasser für Krainer holen sollte.« Aufgeregt flatterten seine Hände hin und her. »Was, wenn dieser Mann den Krug in den Brunnen geleert hat? Lorenz war in den Felsengängen unter der Stadt unterwegs. Es gibt manche Stellen, an denen man aus den Leitungen trinken kann. Vielleicht hat er das getan und sich unwissentlich selbst vergiftet! Darum tötete er erst den Röhrenmeister, dann Hoger und Faro.«
»Und beinahe mich.« Ein Schatten huschte über Richards Miene, und Katharina wusste, dass er sich die gleiche Frage stellte, wie sie selbst.
»Warum tötete er nur Männer, die mit mir in Verbindung standen?«, fragte sie leise.
Bruder Johannes blinzelte. »Wie ...?«
»Mein Bruder, Hoger, Faro. Schließlich Richard. Ein jeder hatte irgendeine Verbindung zu mir.«
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht«, gab Schedel zurück. »Ich kann nur vermuten, dass Gott irgendeinen Plan damit hatte, dessen Sinn uns verborgen bleibt.«
Gott.
Die Stille, die Schedels Worten folgte, machte die Geräusche rings herum überdeutlich. Ein Balken knarrte, vor dem Fenster gurrte eine Taube.
»Nun«, seufzte Schedel schließlich, »alles werden wir nie in Erfahrung bringen, fürchte ich.«
Während die beiden Brüder in sich gekehrt dasaßen und grübelten, beobachtete Richard unauffällig Katharinas Regungen. Sie hatte sich sichtlich gefreut, ihn zu sehen, aber als er auf sie zugegangen war, um sie in die Arme zu schließen, da hatte der Mut, sie zu berühren, ihn verlassen.
Während er noch überlegte, was er jetzt zu ihr sagen könnte, stand sie auf und begann, im Raum herumzuwandern. Vor seinem Pult blieb sie stehen, legte eine Hand auf den Bücherstapel. An der Art, wie sie ausatmete, erkannte er ihre Erleichterung.
»Was denkt Ihr?«, fragte er leise. Vorhin, als er den Raum betreten hatte, hatte sie ihn beim Vornamen genannt, hatte ihn sogar einmal geduzt, und ihm war warm ums Herz geworden. Dann allerdings war sie schnell zu der distanzierten Anrede zurückgekehrt. Es war ihm wie eine Zurückweisung vorgekommen.
Sie wandte sich zu ihm um, ohne die Hand von den Büchern zu nehmen. »Der Vogelflügel«, antwortete sie und lächelte. »Er ist fort.«
»Ich habe ihn verschenkt.«
»Verschenkt?« Ihre Augenbrauen hoben sich ein wenig, und um ihre Augen erschienen feine Fältchen. Fast konnte Richard sich vorstellen, wie sie aussah, wenn sie aus vollem Herzen lachte, und ihm wurde bewusst, dass er das noch nie erlebt hatte. Sehnsucht durchdrang sein Herz bei diesem Gedanken. Wie gern er sie lachen hören würde!
»An den Sohn eines Goldschmieds aus der Nachbarschaft. Albrecht heißt er. Er malt gern, und ihm hat er gefallen.«
Katharina wies auf die Zeichnungen an den Wänden. »Vielleicht malt er irgendwann solche Landschaften«, sagte sie.
Richards Kehle wurde eng. »Ja. Vielleicht.« Er musste
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