Seraphim
während ein anderer eine Bleiplatte mit Hilfe von dicken Leinenstempeln schwarz einfärbte. Der säuerliche Geruch der Farbe lag in der Luft und überdeckte den Geschmack ihres Erbrochenen.
Mechanisch erwiderte sie den freundlichen Gruß des Druckers und eilte an den Männern vorbei. Ein Stück weiter waren die Häuser nur noch zweigeschossig, aber ein jedes besaß an seiner Rückseite einen kleinen Garten. Hier hatte Egbert ein Haus für sie gekauft, nachdemsie aus Antwerpen zurück nach Nürnberg gekommen waren. Es besaß im Erdgeschoss eine bogenförmige Eingangstür, deren Aussehen den Toren der reichen Kaufmannshäuser nachempfunden war. Sie war jedoch viel zu schmal, um ein Fuhrwerk hindurchzulassen, und Egbert hatte auch niemals eines besessen. Als Medicus hatte er in Antwerpen genügend Geld verdient, um hier in Nürnberg davon leben zu können. Das obere Geschoss des Hauses wies vier Fenster auf, die allesamt auf die Gasse hinunterblickten und mit kleinen grünen und weißen Scheiben verschlossen waren. Bei Sonnenlicht ließen sie jeden Menschen im Inneren der oberen Räume kränklich aussehen.
Katharina sperrte auf, huschte ins Haus, warf die Tür hinter sich zu und lehnte sich dagegen. Kühle Stille umfing sie. Früher wäre sie von einem Hausmädchen willkommen geheißen worden, aber sie hatte schon vor längerem alle Dienstboten entlassen müssen, ebenso wie sie die Teppiche verkauft hatte, die früher den Steinfliesenboden bedeckt hatten, und auch die meisten der Möbel, die sie mit Egbert gemeinsam in Antwerpen erstanden hatte. Das Haus war erfüllt von einer unangenehmen, hallenden Leere.
Matthias! Katharina schluchzte auf, aber noch immer wollten die Tränen nicht zurückkehren. Sie tastete nach dem Treppengeländer und hatte kaum drei Stufen überwunden, als ein lautes, forderndes Pochen an der Haustür sie zusammenzucken ließ.
»Frau Jacob?«
Eine befehlsgewohnte Männerstimme.
Katharina war schon drauf und dran, die Tür zu öffnen, als der Mann vor der Tür hinzufügte: »Wir kommen im Auftrag von Bürgermeister Zeuner, um Euch ein paar Fragen zu stellen.«
Stadtbüttel!
Katharina biss sich in die geballte Faust. Sie ließ sich auf die Stufen sinken und umklammerte die Knie mit den Armen, während der Stadtbüttel ein weiteres Mal pochte. Für einen langen Augenblick blieb es still. Schließlich hörte Katharina den Mann sagen: »Offenbar ist sie doch nicht zu Hause! Komm, wir sehen später noch einmal, ob wir sie antreffen.«
»Aber Zeuner hat uns befohlen ...«, widersprach eine zweite Stimme.
»Zeuner hat genug mit diesem Mord in der Lochwasserleitung zu tun. Um eine dämliche Hexereianklage können wir uns auch später noch kümmern.«
Einen Moment blieb es still vor der Tür, dann entfernten sich die Stiefelschritte.
Katharina sprang auf und lief zu einem schmalen Fenster neben der Eingangstür. Mit jagendem Herzen schob sie den Vorhang zur Seite. Von hier aus konnte sie die Druckerei sehen und die beiden Büttel, die vor dem Torbogen standen und sich mit dem Drucker und seinen Gehilfen unterhielten. Es waren die beiden, denen sie tags zuvor in der Nähe des Weißen Turmes begegnet war.
Durch das helle Glas verzerrt, sah sie den Drucker in ihre Richtung blicken und dann den Kopf schütteln. Die Büttel bedankten sich und gingen davon.
Katharina zwang ihre wirbelnden Gedanken zur Ruhe. Hexerei hatten die Büttel gesagt. Also schien Hoger tatsächlich geplaudert zu haben. Katharina fuhr sich mit beiden Händen über Gesicht und Haare.
Der Verdacht der Zauberei würde bald die Runde machen, und dann hätte sie kaum noch eine Möglichkeit, zu Faro ins Lochgefängnis zu gelangen. Wenn sie aber Glück hatte, wusste Sebald bisher noch nichts von Hogers Anklage.
Sie lehnte die Stirn gegen die kalte Scheibe. Ihr Atem schlug sich auf dem Glas nieder und nahm den Gegenständen vor dem Haus ihre Farbe. Katharina seufzte tief. Sie durfte sich jetzt nicht gehen lassen.
Sie musste so schnell wie möglich zu Faro.
Diesmal wurde sie nicht von Sigrid empfangen, sondern von Sebald selbst. In der Hand hielt er ein Kehrblech voller grauer Asche, und als er Katharina sah, weiteten sich seine Augen. Kurz durchzuckte sie die Angst, er wüsste bereits, dass sie gesucht wurde.
»Was machst du hier?«, fragte er, und er keuchte dabei ein klein wenig, als habe die eben unterbrochene Arbeit des Fegens ihn über Gebühr angestrengt. »Ich dachte, du bist bei deiner Mutter.«
Katharina forschte in
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