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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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berührt dieser ... Fluch nicht. Nicht so wie mich, deine Tochter.«
    »Du warst verheiratet!«, rief Mechthild aus. »Und weit fort!«
    Katharina weigerte sich, den Vorwurf zu hören, der in den letzten drei Worten mitschwang. »Aber jetzt ist Egbert tot!«
    »Für seinen Tod kann ich nichts!«, sagte Mechthild. Die Erinnerung an Matthias stand greifbar zwischen ihnen.
    Katharina biss sich auf die Zunge. »Nein, das kannst du nicht.« Sie griff nach dem Türriegel. Schritte auf der Treppe ließen sie innehalten.Bertram.
    Die Treppe, die vom Eingang zur Wohnung im ersten Stock hinaufführte, knarrte unter seinen Stiefeln, und als er die Stube betrat, füllte sein massiger Körper den gesamten Türstock aus.
    Er überragte Katharina um fast zwei Köpfe, so dass sein bärtiges Gesicht weit über ihr schwebte. Seine Augen hatten die Farbe von Asche und waren umrahmt von tiefschwarzen Wimpern und Augenbrauen. Der ebenfalls schwarze Haarschopf warf einen Schatten auf seine bleiche Haut, die unter den Augen schwere Tränensäcke bildete. Schweigend musterte er Katharina, und in diesem Moment wusste sie, dass er es gewesen war, der sie in der vergangenen Nacht im Licht der Kerze betrachtet hatte.
    Sie wich einen Schritt zurück. Bisher hatte sie Bertram Augspurger nur von Weitem gesehen – in seiner Funktion als Henker von Nürnberg. Unwillkürlich streifte ihr Blick seine Hände.
    Er stieß ein höhnisches Lachen aus. »Kein Blut an ihnen«, sagte er. »Enttäuscht dich das?«
    »Bertram!« Mechthild klang flehend.
    Er warf ihr einen Blick zu, dann nickte er. »Schon gut. Du bist Gast in meinem Haus, Kind. Ich wollte dich nicht beleidigen.«
    Katharina nahm all ihre Kraft zusammen, um ihm zuzunicken.
    »Warst du im Loch?«, fragte Mechthild.
    Bertram umrundete Katharina. Sie konnte sich nicht bewegen, stand ihm einfach mitten im Weg, eingehüllt in ihr trübes, unerträgliches Grau. Er setzte sich in seinen Lehnstuhl.
    Katharina war froh, dass sie die Einladung ihrer Mutter, sich selbst darin niederzulassen, nicht angenommen hatte.
    »Ich war bei ihm, ja«, hörte sie Bertram sagen.
    Fragend schaute Katharina Mechthild an, doch die wich ihrem Blick aus. Also fragte Katharina: »Bei wem?«
    »Bei Faro Jorges«, antwortete Bertram ihr. »Dem Mann, den sie für den Mörder halten.«
    »Faro!« Die Nennung des Namens tat etwas mit Katharina. Es war, als wische eine unsichtbare Hand die Spinnweben zur Seite, so dass ihre Gedanken sich auf etwas richten konnten, das bisher verborgen in den Tiefen ihres Geistes geschlummert hatte.
    Faro war bei Matthias gewesen, als der gestorben war. Vielleicht wusste er, was geschehen war ... das Messer in seiner Hand ... Faro.
    War er der Mörder?
    Die Büttel schienen ihn jedenfalls dafür zu halten.
    Bertram hatte die Augenbrauen zusammengezogen. »Kennst du ihn?«
    Instinktiv wollte Katharina ihn anlügen, wollte leugnen, dass sie Faro kannte. Aber dann nickte sie. »Er war Matthias’ bester Freund. Ich mochte ... mag ihn. Er ist kein Mörder!«
    »Du verteidigst ihn?« Bertram lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Obwohl du weißt, dass er neben der Leiche hockte. Mit dem Messer in der Hand.«
    »Faro ist kein Mörder!« Sie sagte es, um sich selbst zu überzeugen. Der Gedanke, dass Faro Matthias ermordet haben könnte, dass die letzte Erkenntnis im Leben ihres Bruders die gewesen war, von seinem besten Freund verraten worden zu sein, war Katharina unerträglich. Aber da war das Messer. Und das Blut daran.
    Matthias’ Blut. Katharina würgte.
    »Hast du mit Faro gesprochen?«, fragte Mechthild Bertram.
    Der schüttelte den Kopf. »Er ist nicht ansprechbar.«
    »Aber sie halten ihn für den Mörder.«
    »Bürgermeister Zeuner glaubt, dass er es war, ja.«
    »Dann werden sie die Folter anordnen?«
    Bertram antwortete nicht.
    Katharina konnte ihm ansehen, was in seinem Kopf vorging. Genau wie er wusste sie um den Ablauf eines Gerichtsprozesses: Bei einem Mord an einem Nürnberger Bürger galt das Recht der Stadt als gekränkt, und damit konnte der Rat Anklage erheben. Um jemanden verurteilen zu können, musste ein Geständnis vorliegen, und um dieses zu erhalten, bediente man sich der Folter als völlig übliches Instrument der Wahrheitsfindung. Um jedoch die Folter anordnen zu können, mussten genügend Dinge gegen den Verdächtigen sprechen. Und stammelnd neben einer Leiche gefunden zu werden, mit dem blutigen Messer noch in der Hand, war mit Sicherheit als Verdachtsgrund mehr als

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