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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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schloss die Augen, bis sie wieder zu Atem gekommen war.
    Was würde geschehen, wenn sie sich stellte? Würde man dann Befehl geben, auch sie zu foltern? Bertrams große Hände tauchten vor ihrem inneren Auge auf, und die Vorstellung, dass er sie benutzen würde, um ihr Schmerzen zuzufügen, ließ Katharina aufstöhnen. Was würde Mechthild dazu sagen?
    Dann fiel Katharina ein, dass es zur Folter ja gar nicht kommen musste. Wenn sie einfach zugab, ihre Elixiere mit Hilfe von magischen Sprüchen bereitet zu haben, würde sie damit der Folter entkommen. Aber sie würde wegen Zauberei verurteilt werden.
    Der Nürnberger Rat war bekannt dafür, dass er mit Menschen, die der Zauberei angeklagt waren, milde verfuhr. In Fällen, in denen nur eine einzige Anklage vorlag, mussten die Beschuldigten oft einfach Besserung geloben. Falls sich jedoch in ihrem Fall weitere Ankläger finden würden – und Katharina war sich klar, dass diese Gefahr bestand, denn sie hatte sich nicht nur bei Peter Hoger unbeliebt gemacht, sondern auch noch bei zwei, drei weiteren Bürgern und darüber hinaus natürlich auch bei den Ärzten und Apothekern der Stadt –, würde sie dennoch mit einer recht geringen Strafe zu rechnen haben. Verbannung aus der Stadt für ein halbes Jahr. Oder eine Stunde Pranger auf dem Marktplatz. Schlimmstenfalls, dachtesie, würde man sie mit Ruten streichen und dann wieder laufen lassen.
    Keine dieser Strafen war geeignet, Katharina große Furcht einzuflößen.
    Sie war bereits drauf und dran, sich auf den Weg ins Rathaus zu machen, als ihr etwas ganz anderes einfiel. Wenn sie tatsächlich zugab, eine Hexe zu sein, würde ihr Wort Faro überhaupt nichts nützen!
    Sie würde nur in der Lage sein, etwas für ihn zu tun, wenn es ihr gelang, ihre eigene Unschuld zu beweisen. Und das wiederum hieß, dass die Folter in greifbare Nähe rückte ...
    Vor lauter Ärger über ihre ausweglose Situation gab sie dem Eimer einen heftigen Stoß. Er rutschte über die Brunnenumrandung und sauste in die Tiefe, wo er mit einem lauten Klatschen auf der Wasseroberfläche auftraf.
    Es war bereits weit nach Mittag, als sie sich endlich erhob. Sie zog den Eimer wieder in die Höhe, schöpfte Wasser daraus und rieb sich mit bloßen Händen so gut es ging das Blut aus dem Gesicht. Dann machte sie sich auf den Weg zurück nach St. Sebald.
    * * *
    Prior Claudius hatte Johannes vor Beginn der Frühmesse aufgesucht und ihm aufgetragen, sich für die Stunde nach der Non bereitzuhalten, um ihn auf einem Gang in die Stadt zu begleiten.
    Jetzt, während draußen die Türmer den Beginn der zehnten Stunde läuteten, saß er neben dem Prior in einer Schreibstube des Rathauses und versuchte, sich klein genug zu machen, damit nicht das Wort an ihn gerichtet werden würde.
    Prior Claudius sprach mit Bürgermeister Zeuner über die Unruhen in der Stadt und den Toten mit den Schwanenflügeln. Wieder fühlte Johannes die Angst vor Entdeckung in seinem Magen rumoren. Unruhig rutschte er auf seinem Sitz hin und her und wünschte sich nichts sehnlicher, als eine Latrina aufsuchen zu können.
    Claudius warf ihm einen unwilligen Seitenblick zu, und Johannes wurde noch ein wenig kleiner.
    »Ihr versteht meine Sorge?«, wandte der Prior sich dann an den Bürgermeister.
    Der nickte mit ernstem Gesicht. »Natürlich. Die Leute sind beunruhigt, und ich gebe Euch recht, dass die Munkelei immer lauter wird, wir könnten es mit Hexenwerk zu tun haben. Aber ...«
    »Glaubt Ihr etwa nicht an die Existenz von Hexen, Bürgermeister?«
    »Ich bin nur ein einfacher Mann, der keinerlei theologischen Kenntnisse besitzt, wie Ihr es tut.«
    Prior Claudius schluckte die offenkundige Schmeichelei, ohne die Miene zu verziehen. »Dieses Buch ...« Er wies auf die Ausgabe des Hexenhammers, die er aus dem Kloster mitgebracht und auf das Pult gelegt hatte, »... wurde von fähigen Männern meines Ordens geschrieben.«
    »Verzeiht mir meine Direktheit, Prior Claudius. Aber mir ist immer noch nicht ganz klar, was Ihr von mir wollt. Und meine Zeit ist knapp bemessen. Ich habe einen Mord aufzuklären, und ich bin der festen Ansicht, dass er mit Hexerei nichts zu tun hat.«
    Johannes konnte die Anspannung des Priors spüren. »Dann will ich Euch von einem Ereignis erzählen, von dem Ihr bisher keinerlei Kenntnis habt«, sagte Claudius. Er berichtete Zeuner von den drei Toten im Kloster. »Sie waren Mitglieder der Heiligen Inquisition«, endete er. »Und sie kamen nach Nürnberg, um über dieses

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