Seraphim
machen konnte, wandte sie sich ab und verschwand im Inneren des Rathauses.
Einer Eingebung gehorchend, folgte Richard ihr. Gerade noch rechtzeitig durchquerte er die breite Tür, um Katharinas Gestalt oben auf dem Treppenabsatz verschwinden zu sehen. Er rannte ihr nach und holte sie in einem der Gänge ein, als sie gerade an Zeuners Tür klopfte.
»Frau Jacob!« Er musste tief Luft holen, um weitersprechen zu können. »Was macht Ihr hier?«
Sie blickte ihn von Kopf bis Fuß an. Tiefe, bläuliche Schatten lagen unter ihren Augen, und sie sah zu Tode erschöpft aus. »Es gibt da etwas, das ich klären muss«, murmelte sie.
»Ihr habt vor, Euch der Anklage wegen Hexerei zu stellen, die gegen Euch vorliegt.«
»Woher wisst Ihr ...?« Überrascht sah sie ihn an. Dann erschien in ihren Augen ein Anflug von Unbehagen, und Richard war froh, es zu sehen. Wenigstens eine Regung in ihrem sonst so leeren Blick.
»Bürgermeister Zeuner selbst hat es mir erzählt.«
Sie wischte sich eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht. »Eigentlich habe ich vor, für Faro zu bitten. Ich glaube, dass er unschuldig ist, und er darf nicht gefoltert werden für etwas, das er nicht getan hat.«
»Er wurde mit dem blutigen Messer in der Hand gefunden«, gab Richard zurück. Sein Blick wanderte zu der Tür, aber entweder war in dem Raum dahinter niemand zugegen, oder aber Zeuner hatte Katharinas Klopfen nicht gehört.
»Er hätte Matthias nie so etwas angetan!«
»Was, wenn er ...« Richard unterbrach sich, weil er Katharina nicht unnötig quälen wollte. Fieberhaft suchte er nach einer Möglichkeit, sie aus dem Rathaus zu lotsen. Die Vorstellung, dass sie im Lochgefängnis landen könnte, war ihm schier unerträglich.
»... verhext wurde, meint Ihr?« Sie lächelte, und dieses Lächeln ließ Richard das Blut in den Adern gefrieren. »Auch dann wäre er unschuldig, nicht wahr? Ich weiß, dass ... ich muss versuchen zu verhindern, dass man ihn foltert, sonst könnte ich mir selbst nicht mehr im Spiegel begegnen.«
Die letzten Worte ließen Richards Mund offenstehen. »Er kannnicht gefoltert werden«, krächzte er. »Er ist umnachtet. Sie dürfen ihn nicht ...«
»Sie werden es tun. Offenbar glaubt der Bürgermeister, dass er seinen Wahn nur vortäuscht.«
Richards Gedanken rasten, und er dachte an den vergangenen Abend. Er hatte es nicht übers Herz gebracht, Pömers Forderung zu erfüllen und mit einer Lüge für Faros Folter zu sorgen. Nachdem er Zeuner gegenüber das Gespräch auf dieses Thema gebracht hatte, hatte es ihn einige Mühe gekostet, sich dort wieder herauszureden. Er hatte gedacht, es sei ihm gelungen. Hatte er dadurch unwillentlich genau das erreicht, was Pömer wollte? Er spürte, wie ihm schlecht wurde. In diesem Moment wurde die Tür geöffnet, und zwei Predigermönche kamen aus Zeuners Kontor.
»Oh«, sagte der eine von ihnen. Richard kannte ihn nicht.
Der andere war Bruder Johannes. »Frau Jacob!«, entfuhr es ihm. »Was macht Ihr hier?«
Katharina beachtete ihn nicht, sondern drängte sich an ihm vorbei. »Ich muss mit Euch sprechen«, sagte sie zu Zeuner.
Der stand mit offenem Mund da und starrte sie an.
»Bürgermeister?« Der Mönch, den Richard nicht kannte, schaute Zeuner fragend an. »Wer ist diese Frau?«
Zeuner umrundete sein Pult. »Das ...« Er musste sich räuspern. »Das ist die Frau, die Peter Hoger der Hexerei angeklagt hat.«
Richard sah, wie eine ganze Reihe der unterschiedlichsten Gefühle über das Gesicht des unbekannten Mönches huschten. Erschrecken. Angst. Schließlich Entschlossenheit.
»Dann tut endlich Eure Pflicht!«, sagte er.
»Natürlich!« Zeuner ging zur Tür.
Dann rief er nach den Bütteln.
12. Kapitel
»Darf ich Euch etwas fragen?« Unsicher schaute Johannes dem Prior ins Gesicht.
Nachdem Bürgermeister Zeuner die Büttel gerufen hatte, um Katharina Jacob festzunehmen, hatte er die beiden Mönche aus dem Raum komplimentiert, und nun waren sie auf dem Rückweg zum Kloster.
Prior Claudius sah erschöpft aus. Erschöpft und erschrocken. »Fragt!«, sagte er.
»Es kann sein, dass ich mich irre, aber als Ihr mich neulich diesen Teil aus dem Hexenhammer habt übersetzen lassen, hatte ich das Gefühl, dass Ihr dessen Inhalt nicht zustimmt.« Johannes wartete einen Moment, doch der Prior schien nicht zu verstehen, worauf er hinauswollte. Also sprach er weiter: »Wie kommt es dann, dass Ihr jetzt auf der Festnahme dieser Frau bestanden habt? Und Eure Worte, die Ihr Zeuner
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