Seth, Träume und Projektionen des Bewusstseins (German Edition)

er mich durch seine Augen blicken ließ,
    Schien mir das so gewohnte Zimmer fremd.
    Heut‘, mit den Jahreszeiten,
    Besucht er zweimal uns pro Woche,
    Von Welten aus, die ohne Wind und Schnee
    Und dennoch Schwüre haben, die zu erfüllen sind.
    Tatsächlich übermittelte das Brett zuerst einige Botschaften einer Persönlichkeit namens Frank Withers (Anm. d. Übers.: In anderen Büchern auch ,,Frank Watts“ genannt) , der darauf bestand, unsere Nachbarin Miss Cunningham gekannt zu haben. Zu Beginn nahm ich das nicht sehr ernst, aber er sagte auch, er habe eine ältere Dame gekannt, die mit mir in der hiesigen Galerie arbeitete, wo ich eine Teilzeitstelle hatte. Als ich sie fragte, sagte mir die Frau, dass sie einen solchen Mann zwar gekannt habe , er aber nur ein Bekannter gewesen sei.
    Das genügte, um mich zu Miss Cunninghams Wohnung zu schicken, in der Hoffnung, während einer Unterhaltung den Namen einfließen lassen zu können. (Ich hatte nicht vor, irgendjemandem von den Ouija-Brett-Sitzungen zu erzählen.) Außerdem kam es mir seltsam vor, dass Miss Cunningham in irgendeiner Weise mit unseren Ouija-Aktivitäten zu tun haben sollte. Diese Verbindung erinnerte mich natürlich sofort an den Juli-Traum.
    Es war das erste Mal seit geraumer Zeit, dass Miss Cunningham und ich uns wieder einmal richtig unterhielten, und ich war über ihre Veränderung schockiert. Ihr Haar war unordentlich. Sie nestelte nervös an ihrem Kleid herum. Wenn sie sprach, hörte sie plötzlich mitten im Satz auf, begann dann, einen Ton zu summen und vergaß schließlich, was sie gesagt hatte. Im nächsten Augenblick war sie wieder sie selbst. Dann begann der Ablauf von vorn.
    ,,Haben Sie jemals einen Frank Withers gekannt?“, fragte ich schließlich. ,,Sein Name kam neulich zur Sprache. Irgendjemand sagte, sie hätten ihn gekannt.“
    ,,Withers? Withers?“, sagte sie. ,,Hmm.“ Und schon begann sie wieder zu summen.
    ,,Frank Withers,“ sagte ich, mich schuldig fühlend, sie zu stören.
    „Ja. Ja.“ Ihre Stimme wurde leiser, verlor sich ganz und kehrte zurück. ,,Ich hatte viele Schüler mit diesem Namen … es gab mehrere … “
    Ich wartete auf mehr.
    ,,Was haben Sie gesagt? Wollten Sie etwas? Wie schön, Sie zu sehen!“, sagte sie erfreut. Aber schon begann die Verwirrung wieder die Oberhand zu gewinnen, so dass ich wusste, dass es sinnlos war. Beunruhigt kehrte ich in unsere Wohnung zurück.
    Während die Tage verstrichen, dachte ich immer wieder beunruhigt an sie, wie sie durch die Gänge schritt, und ich nahm mir vor, hin und wieder bei ihr reinzuschauen. Aber wir waren von unseren eigenen Angelegenheiten so vereinnahmt, dass ich sie nur selten sah.
    Es war eine seltsame Zeit. John F. Kennedy wurde kurz nach Beginn unserer Sitzungen ermordet. Die vertraute physische Welt schien kein sehr sicherer Ort zu sein. Die althergebrachten Denkweisen brachten eine schreckliche Frucht zutage. Ein ungemütlicher Dezember folgte – bitter, düster und entmutigend auf nationaler Ebene – und das lokale Wetter war dunkel, mit sich hoch auftürmendem Schnee. Und doch fühlten wir, dass wir in unserem kleinen erleuchteten Wohnzimmer wichtige Wege beschritten, indem wir unschätzbare Einsichten gewannen und inmitten einer chaotischen Welt einen Ort gesunden Verstandes fanden.
    In der Zwischenzeit hielten wir zweimal wöchentlich unsere Ouija-Brett-Sitzungen ab. Wenn ich an jenen Winternachmittagen von der Kunstgalerie zuhause ankam, war es jeweils schon dunkel. Nach dem Abendessen machte ich den Abwasch und arbeitete für eine Stunde an meinen Gedichten, worauf Rob dann das Brett herausholte. Häufig dauerten diese Sitzungen bis Mitternacht. Rob machte von Anfang an wortwörtliche Notizen. Der größte Teil der ersten zehn Sitzungen handelte von Reinkarnation und enthielt auch faszinierendes Material über Robs Familie.
    ,,Das sind großartige Geschichten,“ sagte ich.
    ,,Ich habe bemerkt, dass wir ein viel besseres Verhältnis zu meinen
    Eltern haben, seit wir über diese Erkenntnisse verfügen,“ sagte Rob.
    ,,Sicher … ich freue mich auch,“ sagte ich. ,,Und Reinkarnation ist eine fantastische Theorie für Gedankenspiele. Erinnerst du dich an meine erste veröffentlichte Kurzgeschichte ,,Der rote Waggon“ in Fantasy and Science Fiction ? Sie basierte auf Reinkarnation. Aber das heißt nicht, dass ich daran glaube oder sie für eine Tatsache halte.“
    ,,Vielleicht wusstest du damals schon unterschwellig, dass es wahr ist“, sagte Rob.