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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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Viel Hausarbeit und
weniger herumliegen — das ist das beste! Viel gymnastische Übungen! Vor allem
sich vom Tisch abstoßen! Geht Jim am Donnerstag Golf spielen?«
    Damit war die Voruntersuchung zu Ende.
     
    Als mein Leibesumfang zunahm, lernte
ich eine Menge neuer Menschen kennen, die allesamt mit einer krankhaften
Phantasie begabt waren. Ich war ja nicht nur schwanger, sondern außerdem die
Frau eines Arztes, die geeignete Person, der man mit seltsamen Geschichten von
abnormen Geburten und Entbindungen aufwarten durfte. Wildfremde Frauen beugten
sich im Bus zu mir und flüsterten, sie hätten eine Bekannte gehabt, die sei
daran gestorben. Diese wunderliche Anziehungskraft wuchs in direktem Verhältnis
zu dem Wachstum des Fötus — ähnlich dem gesteigerten Tastsinn, den die Blinden
entwickeln.
    Jim und Pete lieferten die erforderliche
Überkompensation, indem sie mir vorredeten, jedes beliebige vollblütige
Frauenzimmer könne sich hinlegen und mir nichts, dir nichts ein gesundes Kind
zur Welt bringen. Nimm die Chinesinnen! Nimm die Mexikanerinnen! Nimm außerdem
einen großen Prozentsatz der amerikanischen Frauen! Ich blickte in den Spiegel
und tat mir leid.
    Jeden Abend, wenn Jim nach Hause kam,
wurde mir ‘eine neue Dosis verabreicht. Die Tante der Telefonistin habe eine
trockene Entbindung gehabt. Was ist eine trockene Entbindung? Vor der Epoche
der modernen Obstetrik sei das eine ernste Sache gewesen — heutzutage aber
nicht mehr der Rede wert oder zumindest ungefährlich. Immerhin hätten sie der
Tante das Baby stückchenweise herausschneiden müssen...‹
    Jim seufzte. »Reine Ammenmärchen!
Wahrscheinlich handelt es sich um ein ganz anderes Problem, das mit deinem Fall
gar nichts zu tun hat. Wenn du wieder Stör kochst, versuch ihn vorher in
Sojabrühe zu legen, ja!«
    Der Rundfunkansager hatte eine Dame
gekannt, die binnen drei Minuten verblutet war. Die Frau des
Gemischtwarenhändlers hatte von einer Frau gehört, die die Kellertreppe
hinuntergefallen und sozusagen explodiert war. Alle hätten sie die »besten
Ärzte in der Stadt‹ gehabt, die anscheinend nichts anderes getan hätten als
stöhnend die Hände zu ringen. Pete erklärte, die Obstetrik sei ein Broterwerb,
aber schwerlich eine Notwendigkeit. Jim sagte: »Nimm die vielen Babies, die in
Taxis zur Welt kommen — entbunden durch einen Feuerwehrmann oder einen
Polizisten oder einen Automechaniker! Du bist normal gebaut und hast das Glück,
mit einem Arzt verheiratet zu sein.«
    Eines Abends sagte Jim erbittert: »Du
bist zu freundlich zu den Leuten! Man würde dir keine dummen
Altweibergeschichten erzählen, wenn du nicht mit einer so wißbegierigen Miene
herumlaufen würdest!« Er legte den Arm um meine Schulter und tätschelte mich.
»Los, ich muß einen Krankenbesuch machen! Du kommst mit, und nachher gehen wir
ins Kino und nehmen eine Loge, damit du was hast, um den Bauch draufzulegen.«
    Es war einer jener dunklen, nebligen
Märzabende, da sämtliche Straßen wie die Dekorationen eines besonders
schaurigen Hitchcockfilmes aussehen. Wir fuhren weit nach Norden in eines der
guten Wohnviertel, wo die Häuser recht vornehm sind und nicht so eng
beisammenstehen. Die meisten verschwinden fast hinter den Fichten und Kiefern.
Um mich zu unterhalten, erzählte mir Jim, warum er, als er sich für einen
Spezialzweig zu entscheiden hatte, nicht Geburtshelfer geworden war ..
    Er praktizierte drei Monate lang auf
der Geburtshilfe-Abteilung und dachte ernstlich daran, die obstetrische
Laufbahn zu wählen. Als er das erstemal Nachtdienst hatte, wartete er frisch
gewaschen, keimfrei und hundertprozentig doktoral auf einen Anruf. Der Anruf
kam aus dem italienischen Viertel Chicagos: »Schnell, schnell, Herr Doktor,
Mamma ist soweit!« Er und noch ein junger Kerl, der schon seit einem Jahr als
Assistent im Entbindungsheim arbeitete und, zumindest in seinen eigenen Augen,
ein eisgrauer Veteran war, begaben sich eiligst an die angegebene Adresse. Das
Wasser kochte, das Bett war frisch überzogen, und Mamma wartete geduldig auf
die Ankunft ihres zehnten Kindes. Es war eine einfache Entbindung, und nachdem
der eisgraue Veteran allerlei hochtrabende obstetrische Kommentare von sich
gegeben hatte, ging er hinaus, um eine Zigarette zu rauchen, während Jim die
mehr untergeordneten Arbeiten besorgte. Als der andere draußen war, sagte die
Mamma ganz nebenbei zu Jim, ihrer Meinung nach müsse sie noch ein Baby im Bauch
haben. Es waren tatsächlich noch zwei, die

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