Setz dich über alles weg
— wieso
nicht? Es ist das Natürlichste von der Welt. Dazu heiratet man ja schließlich!«
Ich erinnerte mich an Maggies Bemerkung
über die Arztfrau, die sechs Kinder hatte und das siebte erwartete. ›Und sie
wird noch mehr kriegen, mein Schatz! Bei uns im Süden haben die Ärzte Millionen
von Kindern. Und warum auch nicht, mein Schatz — warum nicht? Der Herr Doktor
bekommt sie so gut wie gratis geliefert, und wenn sie da sind, ist er nie zu
Hause — er kann sie nicht zählen — also stören sie ihn nicht!»
Beim Essen unterhielten wir uns ganz
normal und gemütlich über die kommenden Dinge — wann ich meine Stellung
kündigen solle, wie lange es sich mit den Anforderungen des guten Tones
vertragen würde, in meinem Zustand männliche Kunden zu bedienen, und ob ich
Norman sofort verständigen müsse, damit er Zeit hätte, eine Nachfolgerin
heranzuschulen. Natürlich würde ich im Entbindungsheim niederkommen. Jim
gehörte dem Arztpersonal an, und natürlich würde Pete mein Geburtshelfer sein.
Jim lächelte die ganze Zeit ein stilles und kindliches Lächeln — und ab und zu
starrte er stumm vor sich hin — ich fühlte mich sehr getröstet.
Meine Freundinnen und Schwestern waren
fast alle verheiratet, und alle hatten sie, wenn man ihnen Glauben schenken
wollte, tage- und nächtelang die schrecklichsten Wehen gehabt. ›Sämtliche Ärzte
erklärten, so ein schmales Becken hätten sie noch nicht gesehen!‹ Ergo mußten mindestens
drei Ärzte zugegen sein, und es ging außerordentlich dramatisch her. Mama
pflegte dann still zu bemerken: »Das kann ich verstehen! Betty war in zwei
Stunden da und Cleve in drei — aber wir lebten auch auf dem Lande.» Betty
sagte, sie sei so dankbar für die Gelegenheit, sich einmal hinlegen zu dürfen,
daß ihr alles übrige völlig egal sei.
Mir war schlecht, ich fürchtete mich
entsetzlich und wurde hin- und hergerissen zwischen dem Wunsche, eine
Spartanerin zu sein — wie alle die Bards — und dem Ehrgeiz, als ein modernes
medizinisches Wunder bestaunt zu werden — wie meine Freundinnen.
An dem Tage, da ich zu Pete bestellt
war, begab ich mich am späten Nachmittag in seine Praxis, grün im Gesicht und
äußerst nervös. Das Wartezimmer wimmelte von Mutterknospen in verschiedenen
Schwellungsstadien, verlegen hielten sie entfaltete Zeitschriften vor die
Bäuche und versuchten, durch geblümte Hüte das bevorstehende Ereignis zu
bagatellisieren. Miss Barnes begrüßte mich herzlich, bat mich, Platz zu nehmen,
und wandte sich dann wieder einer Dame zu, die am Empfangstisch lehnte und sich
über die Medizin beklagte.
»Von dem Kalzium wird mir noch übler.
Muß ich es nehmen?«
»Ja, das Kalzium ist wichtig, und Dr.
Roberts ist dafür, daß seine Patienten es in flüssiger Form einnehmen. Lassen
Sie dieses Fläschchen nachfüllen!«
Pete kam heraus, lächelte mir kurz zu
und begrüßte Mrs. Jones. Auf dem Weg zum Untersuchungszimmer sagte er: »Wie
fühlen wir uns heute, Mrs. Jones? Ich weiß, die letzten Monate sind die
schlimmsten — aber Sie sind ja bisher sehr tapfer gewesen!« Dankbar wackelnd
verschwand Mrs. Jones durch die Tür. Ich beschloß, noch tapferer zu sein, und
wenn es mich das Leben kostete. Mrs. Jones kam zurück mit den Abschiedsworten:
»Dann werde ich also jeden Tag ein bißchen spazierengehen!« und ging. Miss
Barnes sagte: »Mrs. Raymond!« und Pete erschien, um eine neue Patientin zu
empfangen.
In dem Augenblick, da er Mrs. Raymond
anredete, ließ sie die Illustrierte fallen, die sie aufmerksam studiert hatte,
machte eine Märtyrermiene und begann zu jammern. »Wenn ich Essen nur rieche,
wird mir übel, Doktor! Wenn ich gewußt hätte, wie man sich fühlt — « Petes
warme Stimme erwiderte: »Morgens immer noch Übelkeiten? Schlimm, schlimm!
Versuchen Sie vor dem Aufstehen ein Stück Zwieback zu essen... Hier herein,
bitte...«
Mrs. Browns Beschwerde lautete:
»Ehrlich gesagt, Dr. Roberts, ich kann nicht mehr in den Spiegel schauen — ich
sehe scheußlich aus!«
»Nicht in den Augen Ihres Mannes!«
sagte Pete mit einem tröstlichen Lachen. »Freilich scheinen Sie ein bißchen
zugenommen zu haben. Haben Sie auch fleißig geturnt? Wir wollen doch nicht für
immer unsere schöne Figur verlieren.« Mrs. Browns Hinterteil blähte sich
förmlich, während sie davonwatschelte.
Pete zeigte sich mir von einer ganz neuen
Seite. Er war freundlich, taktvoll und vor allem — aufmerksam. Schön, die Frau
eines Arztes zu sein! Wenn Pete sich schon
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