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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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verdammt neugierig sein, wie es in mir ausschaut. Außerdem
sterbe ich vor Angst. Wie, wenn es Krebs ist?« Sie begann wieder zu weinen.
    Dieser Zustand erforderte mehr als nur
einen Fingerhutvoll Hennessy, nämlich energisches Eingreifen. Ich machte ihr
einen kräftigen braunen Drink zurecht und Faith und mir eine etwas leichtere
Dosis. »Jetzt trinken wir auf Ihre baldige Entlassung ohne Operation!
Arztfrauen haben fast nie Krebs, das würde dem Ruf ihrer Männer schaden.« Wir
stießen an und tranken. »Auf künftige Erben und Erbinnen! Wir wünschen ihnen
ein langes und zufriedenes Leben!« Mrs. Calhoun nahm einen großen Schluck aus
ihrem Glase, «- und daß keine einen Arzt heiratet!« Faith sagte: »Auf den
ärztlichen Beruf! Gott segne sie alle! Mögen sie einer nach dem anderen von
einem Kollegen operiert werden, damit sie merken, was für Qualen sie ihren
Frauen zufügen!«
    Mrs. Calhouns Augen begannen zu
funkeln, und ihre Wangen färbten sich rosig. »Möchten Sie ein Schlückchen
Barium als Aperitif haben?« Faith reichte ihr das hohe Glas. Sie trank es zur
Hälfte leer und schüttelte sich abermals. Ich fragte: »Warum tut man Schokolade
‘rein? Da muß es doch noch schlechter schmecken!«
    »Keine Ahnung. Ich habe das Zeug
literweise getrunken, damit sie alle meine kleinen Organe in Tätigkeit sehen
können. Ich habe nämlich keine Symptome. Es liegt nur ein Verdacht vor.« Sie
vertauschte das Bariumglas mit dem Kognakglas. »Mit Kognak schmeckt es lange
nicht so übel wie ohne.« Faith lachte. »Sachte, sachte! Dr. West erlaubt Ihnen
nicht, etwas zu essen, geschweige denn, etwas zu trinken!«
    Die Tür ging auf, und Dr. West kam
herein — mit seinem üblichen pompösen Gefolge: Krankenhausarzt, Assistent,
diensthabende Schwester und zwei Hilfsschwestern. — »Was trinken Sie da?« Er
stürzte zum Bett, riß Mrs. Calhoun das Glas aus der Hand und roch daran, als
wäre er auf den Bittermandelgeruch von Blausäure gefaßt. »Spirituosen!« Wütend
wandte er sich zu Faith und mir. »Sie müssen wissen, daß man einen Patienten,
der unter Beobachtung ist, nicht stören darf. Sie sind beide mit Ärzten
verheiratet!«
    Der Umstand, daß er in seinem grauen
Anzug mit dem rundlichen Bäuchlein wie ein Kropftäuberich aussah, im Verein mit
den Wirkungen des Kognaks (seit mehreren Monaten hatten wir nichts getrunken)
wurde uns zuviel: Wir fingen zu lachen an. Dann kletterten wir in unsere
Rollstühle und versuchten, davonzusausen. Faith fuhr über die Füße der beiden
Hilfspflegerinnen weg und entwischte, ich aber blieb an der Türe stecken. »Miss
Dean!« Dr. Wests Stimme zitterte vor berechtigter Wut. »Ich habe dieser
Patientin völlige Ruhe und Stille verordnet!«
    Miss Dean schluckte zweimal — der
Krankenhausarzt, der Assistent und die übrigen Schwestern schluckten zweimal.
Dann schwärmten sie aus, um die Kopfstütze zurückzuschrauben, den Wandschirm
vor das Fenster zu schieben und überhaupt die arme Mrs. Calhoun wieder in den
früheren trostlosen Zustand zu versetzen, in dem ihr jede noch so schwere
Operation als eine erfreuliche Abwechslung vorkommen würde. Ich versuchte
abermals, mich davonzumachen, aber dazu hätte ich den Assistenten und ein bis
zwei Schwestern auf den Schoß nehmen müssen. Dann bildeten sie einen dichten
Kordon rund um das Bett, und es gelang mir, den Rollstuhl durch die Tür zu steuern.
    Die letzten Worte, die ich Mrs. Calhoun
äußern hörte, lauteten: »Barium - zum Kuckuck! Dreisterniger Hennessy! Wenn Sie
Kognak in das scheußliche Barium täten statt Schokolade, würde ich nicht soviel
Krach machen. Los, operiert mich, ihr werdet sehen, daß es mir egal ist, nehmt
mir alles heraus, aber wenn ich noch einmal heirate, heirate ich den
Generaldirektor einer Kognakfirma — ja den heirate ich! — ihr werdet sehen, daß
es mir egal ist...« Die Tür fiel zu.
    Draußen wartete Faith auf mich, das
Gesicht puterrot vor unterdrücktem Lachen. Sie packte mich beim Arm und
flüsterte: »Spirituosen — ich werde verrückt!« Sie legte rasch das Ohr an die
Tür. »Oh — das ist nicht zum Lachen. Er ist zwar ein fetter Abstinenzler, aber
der Chef, und er kann Tod und Jim die Hölle heißmachen. Komm, weg von hier!«
    Wir fuhren durch den Korridor zu meinem
Zimmer und dachten uns Entschuldigungsgründe aus. »Weißt du was, wir streuen
lauter Babysachen im Zimmer herum, damit wir recht mütterlich wirken —«
    »Zuerst aber müssen wir uns die Zähne
putzen — wir riechen

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