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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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medizinische
Pflege ausgekommen bin.« Großpapa war der Meinung, Großeltern sollten sich
darauf beschränken, mit ihren Enkelkindern zu spielen. Eltern sollen streng
sein, Großeltern sollen die Kinder verwöhnen und unterhalten.
    Nimm zum Beispiel den Kaffee: Der Arzt
zu Hause hatte erklärt, mit Rücksicht auf sein Herz müsse Großpapa aufhören,
starken Kaffee zu trinken. Nun, Kaffee sei nur genießbar, wenn er schwarz ist
wie Teer, und Großpapa hatte sein Leben lang tagtäglich zwanzig Tassen
getrunken. Bis an sein Lebensende werde er täglich zwanzig Tassen trinken. Er
sei am Leben und der Arzt tot. Jim habe in puncto Kaffee dieselben dummen Ansichten
gehabt, aber er sei ihnen hoffentlich entwachsen, so wie er sich abgewöhnt
habe, zu schnell Auto zu fahren.
    Nach dem Lunch begab sich Großpapa auf
die Suche nach einem Haus — so nahe, daß er jeden Tag herüberkommen und mit den
Kindern spielen könnte, aber weit genug entfernt, damit er tun könne, was ihm
paßt. Ich sagte ihm, Häuser seien so selten wie Hühnerzähne, und er sollte
lieber warten, bis Jim heimkäme, um mit ihm loszufahren. Großpapa erwiderte:
»Ich werde schon eins finden — wir sehen uns beim Abendessen!« — und ging zur
Hintertür hinaus.
    Beim Essen saßen Großpapa und Jim
einander gegenüber und lächelten immerzu. Sie sprachen nur wenig, strahlten
aber jene warme, maskuline Heiterkeit aus, jene Freude an der Gesellschaft des
anderen, die mir immer so viel herzlicher vorkommt als die kleinen Küßchen und
Freudenschreie, die die Frauen von sich zu geben pflegen. Großpapa sagte: »Ich
habe ein Häuschen gefunden, Jim. Zehn Blocks weiter in derselben Straße — auf
einem Grundstück mit großen Erdbeerpflanzen — es gefällt mir.« Jim sagte:
»Fein!« und strahlte weiter.
    Von nun an kam Großpapa jeden Morgen
herüber. Er paßte auf Mari auf, während ich Sally badete. Er bediente das
Telefon in einer so präzisen, geschäftsmäßigen Art, daß mir diese Hilfe allein
viele Stunden am Tage ersparte. Er reparierte alles, was entzwei war. »Jim
konnte nie mit Werkzeug umgehen. Ein Glück, daß er nicht Chirurg geworden ist!«
Und bei der Arbeit schwatzte er wie ein Wasserfall.
    Es würde wieder Krieg geben, und zwar
recht bald. Er könne sich noch erinnern, wie Bismarck in Dänemark einfiel.
Diese kleine historische Bemerkung verblüffte mich ebensosehr, als ob Großpapa
mir erzählt hätte, er könne sich erinnern, wie er mit Kleopatra auf dem Nil
spazierengefahren sei. Es wäre eine schwere Zeit für Dänemark gewesen, aber sie
hätten sie, dank ihrem Sinn für Humor und einem stillen Abscheu vor jeder
Unterwürfigkeit, gut überstanden.
    Am zweiten Tag kam der erste
Zusammenstoß zwischen Mrs. Dunny und Großpapa. Ich buk Plätzchen, und Großpapa
hackte die Nüsse, da kam Mrs. Dunny in die Küche.
    »Oh, wie ich sehe, backen Sie! Ich
nehme immer Klebermehl, vorgeschrieben ist Weizenmehl, aber es gibt mehr aus.
Guten Tag! Sie sind wohl Dr. Jays Vater? Um Gottes willen, nicht so fein
hacken, sie verschwinden ja im Klebermehl!«
    Großpapa hackte die Nüsse noch feiner
und sah durch Mrs. Dunny hindurch, als ob sie ein großes blaues Gespenst
gewesen wäre. Mitten in ihre Unterweisungen hinein — wie man die Ofentür auf
macht — wie groß die Hitze sein soll — du lieber Himmel, der Teig sieht aber
klumpig aus — lassen Sie mich mal fühlen — geben Sie doch ein paar Rosinen
hinein — da wird er fülliger! — wie gesagt, mitten in diese Suada hinein
zündete Großpapa seine Pfeife an. Großpapa war nicht dafür, in der Wohnung
Pfeife zu rauchen — Mama hatte es nie gemocht, und er war überzeugt, es sei
keiner Frau recht.
    Mrs. Dunny begann sofort zu husten,
klopfte sich auf die Brust, und stieß eine Reihe kleiner Entsetzensschreie aus.
Sie sei allergisch gegen Tabak, er mache die Vorhänge schmutzig, wie oft habe
sie ihrem Manne gesagt, er.möge rauchen, wo er wolle, nur nicht im Haus… Sie
schlug mit den Händen nach dem Rauch und hielt sich das Taschentuch vor die
Nase.
    Großpapa sagte: »Freundliche und
sparsame Worte zieren das weibliche Geschlecht!« und fuhr fort, Mrs. Dunny in
gewaltige Rauchwolken einzuhüllen, bis sie in den Hinterhof hinauslief und ihre
Ratschläge von dort aus hereinschrie.
    Die Art, wie Großpapa Mrs. Dunny
behandelte, erfüllte mich teils mit Mitleid, teils mit Schadenfreude. Sowie sie
im Haus erschien, holte er ein Stück Eisenrohr aus dem Keller und hämmerte mit
einem

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