Setz dich über alles weg
Babysaal gewesen und hatte mir zeigen lassen, wie man die schlüpfrige
Auster, die den Namen Mari trägt, badet, und hatte dort Faith Morgan und neun
andere Mütter getroffen, die alle den gleichen fesselnden Vorgang lernten. Die
Schwestern hatten mir geduldig den komplizierten Mechanismus eines
Krankenhausbetriebes erklärt. Von sechs Uhr früh bis zehn Uhr abends gingen in
ständigem Strom die Ärzte bei mir aus und ein, und ich fand einen gewöhnlichen
Tag im Krankenhaus spannender als je ein Buch, das ich in meinem Leben gelesen
hatte. Wenn die Tür offenstand, bekam ich noch mehr zu hören.
Der Aufzug hielt, die Tür wurde
geöffnet, und eine schroffe Frauenstimme sagte: »Unsinn! Ich bin vorbereitet
und habe meine Mittel bekommen. Ich ziehe mich jetzt aus und lege mich ins
Bett.«
Dann hörte ich Petes lässigen Tonfall:
»Wollen Sie auch die Entbindung allein besorgen, oder soll ich Ihnen helfen?«
Miss Dean steckte den Kopf herein.
»Sind Sie noch auf? Gehen Sie zu Bett. Wir haben zu tun.« Ich erwiderte, ich
hätte noch keine Lust, mich hinzulegen — ich würde, sobald ich Lust hätte,
allein zu Bett gehen, und fragte sie, was los sei.
Sie lachte kurz auf. »Die schlimmste
Kombination, die man sich denken kann: Arztfrau aus der Provinz, selbst Ärztin,
erstes Kind und noch dazu Dr. Roberts Patientin. Seien Sie nicht böse, wenn in
den nächsten paar Stunden niemand auf Ihr Lichtsignal antwortet, denn wir
werden die ganze Nacht auf dem Sprung sein.«
Sie eilte davon. Aus dem Nebenzimmer
ließen sich wirre Geräusche vernehmen, hastige Vorbereitungen, unterbrochen
durch scharfe Protestlaute einer Frauenstimme und Petes gelegentliche
Brummtöne. Schwesternfüße raschelten herum wie herbstliches Laub. Miss Ward
rief über die Schulter: »Nummer zwei und Nummer drei habe ich die Schüssel
gegeben, aber bei Nummer fünf leuchtet noch das Signal!« und eilte in die
Diätküche.
Das Wasser wurde an- und abgedreht, die
Kühlschranktür knallte. Es waren nicht die üblichen Routinegeräusche, alles
klang ärgerlich und irritiert. Ich stand auf, zog Bademantel und Pantoffeln an,
um in den Korridor hinauszuschleichen. Ich wollte für mein Leben gern eine
Patientin im Dämmerschlaf sehen. Plötzlich gab es einen lauten Krach,
eigentlich eine Serie lauter Krachs. Ich lugte um den Türpfosten. Im Schein der
Straßenlaternen zeichnete sich die Silhouette der Patientin ab, wie sie mit
flatterndem Kittel im Zimmer hin und her tanzte, in wilder Hingabe auf
Glasscherben und zerbrochenen Glühlampen herumtrampelte und geschieht den
verzweifelt zupackenden Händen der Schwestern auswich. Pete versuchte sie zu
fangen. »Du lieber Himmel! Sie hat den Machtrausch gekriegt! Holt eine Lampe
und ein paar Fäden, ihre Füße müssen zerfetzt sein!« In diesem Augenblick schoß
sie mit einem wilden Satz an sämtlichen Schwestern vorbei aus der Tür und dann
an mir vorbei durch den Korridor. Kein Mandrill-Affe hat je ein schöner
geschmücktes Hinterteil aufzuweisen gehabt. Sie war mit Acriflavin präpariert
worden und von der Mitte bis zu den Füßen rosarot angelaufen. Sie packte das
Telefon auf dem Pult der Nachtschwester und begann hastige Worte in die Muschel
zu murmeln. Zwei Schwestern und ein Assistent kamen aus dem Kartothekzimmer
gestürzt, fingen sie ein und schleppten sie ins Zimmer zurück. Die
Wehenschwester befestigte die Seitenbretter, ersetzte die zerbrochene Bettlampe
und sank auf einen Stuhl. Pete untersuchte sorgfältig die Füße seiner
Patientin. »Nur im Rausch bringt man so etwas fertig! Nicht der kleinste
Kratzer!« Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Dann hörte er mich kichern
und blickte auf. »Marsch ins Bett, ich kann dich hier nicht brauchen!« Die
Patientin lag jetzt still, ihre langen Wimpern ruhten friedlich auf den leicht
geröteten Wangen. Ein sanftes, versonnenes Lächeln umspielte ihren Mund.
Miss Dean folgte mir in mein Zimmer.
»Mein Gott, bin ich froh, daß ich mich
nicht auch so aufgeführt habe! Haben Sie eine Zigarette für mich, Miss Dean?«
Wortlos hob sie Kittel und Unterrock
hoch und zeigte mir einen riesigen schwarzen Fleck auf ihrem Bein. »Nicht ganz
so wild, aber Sie waren stark für zehn! Als Sie auf dem Entbindungsbett lagen,
haben Sie Miss Burns einen Halbnelson versetzt und sie ‘runtergerissen, sie
wiegt einhundertfünfundachtzig Pfund. Nicht ganz so wild, meine Liebe, aber ein
Lämmchen waren Sie auch nicht, das können Sie mir glauben!«
»Habe ich etwas
Weitere Kostenlose Bücher