Seuchenschiff
zurück. Er schob sie als menschlichen Schutzschild zwischen sich und den Frachter – für den Fall, dass sie einen Scharfschützen an Bord hatten. Dabei stellte er fest, dass das Handelsschiff den Abstand zwischen ihnen sogar noch mehr verringert hatte.
»Ich glaube, da will jemand ein Spielchen mit mir treiben«, sagte er zu niemand im Besonderen und drehte das Ruder scharf nach Backbord.
Bei dieser Geschwindigkeit reagierte das Schiff sofort, der Bug schwang herum. Er krachte mit einem titanischen Aufschrei gepeinigten Stahls gegen die Seite des Frachters. Der Zusammenprall warf das Schiff nach Steuerbord und brachte Kovac, der sich dagegen gewappnet hatte, ins Straucheln. Die Bugreling wurde eingedrückt, und die beiden Schiffe schrammten aneinander entlang. Ein Dutzend Balkone der teuersten Kabinen wurden abgerissen, während überall auf dem Schiff Passagiere und Mannschaften zu Boden fielen. Es kam im ganzen Schiff zu Verletzungen, allerdings war nichts Schlimmeres als ein paar gebrochene Knochen dabei.
Kovac lenkte das Schiff vom Kollisionspunkt weg. Der Frachter machte das Manöver mit, hielt diesmal aber einen weiteren Abstand, da sein Kapitän offensichtlich wenig Lust auf eine weitere Kollision hatte.
Er war sich nicht ganz sicher, woher die Inspiration kam, aber Kovac hatte plötzlich eine Idee, wie er das Ganze schnell beenden konnte. Er verließ die Position am Steuerruder, hievte einen der toten Offiziere vom Boden hoch und ging mit der Leiche nach draußen. Mit einer Hand hielt er den Gürtel des Offiziers fest, mit der anderen stützte er seinen Nacken so, dass es aussah, als bewegte er sich aus eigener Kraft vorwärts. Kovac hielt für einen kurzen Augenblick inne, um zu gewährleisten, dass die Männer auf dem anderen Schiff Gelegenheit hatten, ihn zu sehen, ehe er mit ihm zur Reling der Laufbrücke ging und den Körper hinüberwuchtete.
Er duckte sich hinter die Reling und konnte nicht verfolgen, wie der Körper dreißig Meter tief ins Meer stürzte, aber er war überzeugt, dass seine Gegner das Geschehen genau verfolgt hatten. Kovac wusste, dass sie einen unschuldigen Mann nicht ertrinken lassen würden und dass sie mindestens eine Stunde brauchten, um ihn zu retten. Ihm gefiel der Gedanke, dass sie wegen eines Toten gezwungen würden, die Verfolgung aufzugeben.
»Schadensbericht«, verlangte Juan, sobald die beiden Schiffe auf Distanz zueinander gingen.
»Die Mannschaften sind schon unterwegs«, antwortete Max sofort.
Als sie das Schiff nicht per Funk hatten erreichen und warnen können, hatten sie geplant, die Mannschaft auf sich aufmerksam zu machen und mit Lautsprechern anzurufen. Der Eigner der Golden Line war sicherlich in Severance’ Vorhaben eingeweiht, aber das konnte nicht für alle Offiziere und die gesamte Mannschaft gelten. Falls sie es schafften, sie zu warnen und über Zelimir Kovacs wahre Absichten zu informieren, konnten sie diese Geschichte ein für alle Mal beenden.
Cabrillo hatte erwartet, dass der Schiffsführer auf Distanz gehen würde, wie er es an seiner Stelle auch getan hätte. Aber er hätte niemals damit gerechnet, dass er absichtlich gerammt wurde. Kein Kapitän auf der ganzen Welt würde sein Schiff und seine Mannschaft mit einer solchen Nummer in Gefahr bringen.
Es gab nur eine einzige logische Schlussfolgerung. »Kovac hat das Kommando über die
Golden Sky
übernommen.«
Max sah ihn erwartungsvoll an und nickte unmerklich. »Das ist das Einzige, was einen Sinn ergibt. Wie willst du es anfangen?«
»Wir gehen wieder längsseits und schießen Enterhaken rüber. Ich weiß nicht, wie viele Männer er hat, aber ich denke, ein Dutzend von uns sollte reichen.«
»Ich mag deinen Captain-Blood-Stil.«
»Das will ich doch meinen.«
»Wenn er versuchen sollte, uns wieder zu rammen, sieht es für euch ziemlich übel aus.«
»Es ist dein Job, dafür zu sorgen, dass er es nicht tut.« Cabrillo wollte gerade an Eddie durchgeben, er solle eine Entermannschaft zusammenstellen, als sich Hali plötzlich bemerkbar machte. »Jemand wurde soeben von der Laufbrücke gestürzt!«
»Wie bitte?«, fragten Max und Juan unisono.
»Ein Typ in einer dunklen Windjacke hat gerade, wie es aussah, einen Offizier von der Laufbrücke gestürzt!«
»Steuer, volle Kraft zurück«, schnappte Juan übers Interkom. »Mann über Bord. Das ist keine Übung. Rettungsteam sofort in die Bootsgarage. Alles vorbereiten, um das RIB zu Wasser zu lassen.«
»Er arbeitet mit schmutzigen
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