Seuchenschiff
schlüpfen könnte. Besser wäre es, das Kreuzfahrtschiff einfach zu stoppen und in einem der Rettungsboote zu fliehen. Es gab Tausende von Inseln in der Ägäis, auf denen er sich verstecken könnte, ehe er sich über seine weiteren Schritte klar wäre.
Blieb nur die Frage, was er mit den Gefangenen tun sollte. Sollte er sie töten oder sollte er sie als Geiseln behalten? Was den Mann betraf, so hatte er keinen Zweifel, dass er jederzeit mit ihm fertig würde. Für Kovac sah er wie ein Kiffer aus. Aber die Frau hatte etwas an sich, das Kovac zu der Vermutung brachte, dass sie ihm gefährlich werden könnte. Dann wäre es schon besser, sie zu töten, als sich den Kopf darüber zu zerbrechen, dass sie ihm entkommen könnten.
Blieb noch ein letzter Punkt. Das Virus.
Es konnte nur zwei Wochen in seinem luftdichten Behälter überleben, daher würde es ihm nach seiner Flucht nicht allzu viel nützen. Es freizulassen, würde die ungefähr tausend Menschen auf dem Schiff infizieren, und mit ein wenig Glück würden sie das Virus verbreiten, wenn sie nach Hause zurückkehrten. Aber er glaubte, dass die Chance dazu nicht allzu groß war. Über das Schiff und seine Passagiere würde sicherlich eine Quarantäne verhängt werden, bis eine weitere Verbreitung des Virus ausgeschlossen werden konnte.
Es war besser als nichts.
Kovac erhob sich von seinem Stuhl und ging zur Kommandobrücke. Die Nacht war hereingebrochen, und das einzige Licht kam von den Steuerkonsolen und den Radarschirmen. Zwei Offiziere und zwei Steuerleute hatten Wache. Kovacs Assistent, Laird Bergman, hielt sich auf der Laufbrücke auf, rauchte eine Zigarette und betrachtete den Sternenhimmel.
»Geh runter in die Wäscherei und setz das Virus manuell frei«, befahl ihm Kovac.
»Ist irgendetwas mit dem Transmitter nicht in Ordnung?«
»Nichts, was für dich im Augenblick von Bedeutung wäre. Geh einfach runter in die Wäscherei und tu, was ich sage. Dann such Rolph und komm mit ihm hierher. Wir verlassen das Schiff.«
»Was ist los?«
»Vertrau mir einfach. Wir werden verhaftet, sobald wir Kreta erreichen. Das ist die einzige Möglichkeit.«
Einer der Offiziere erhob plötzlich die Stimme. »Wo zum Teufel ist der denn plötzlich hergekommen, und was führt er im Schilde? Ruft den Kapitän auf die Brücke und gebt Kollisionsalarm!« Er rannte zur gegenüberliegenden Seite der Laufbrücke.
»Bleib in meiner Nähe«, befahl Kovac, und er und Bergman liefen hinter dem Schiffsoffizier her. Ein großer Frachter lief genau auf die
Golden Sky
zu. Sämtliche Positionslampen waren gelöscht, er sah aus wie ein Geisterschiff – aber machte eine Fahrt von gut zwanzig Knoten.
Der Offizier rief den anderen auf der Brücke zu: »Haben Sie ihn nicht auf dem Radar gesehen?«
»Als ich das letzte Mal nachschaute, war er gut siebzehn Kilometer weit entfernt«, erwiderte der jüngere Offizier. »Und das war erst vor ein paar Minuten, ehrlich.«
»Geben Sie Alarm.«
Der durchdringende Klang der Nebelhörner der
Golden Sky
hatte jedoch keine Wirkung. Der Frachter lief weiterhin genau auf sie zu, als hätte er die Absicht, das Kreuzfahrtschiff in zwei Hälften zu zerschneiden. Als es schien, als wäre eine Kollision nicht mehr zu vermeiden, vollführte der Bug des Frachters einen schärferen Schwenk als jedes andere Schiff, das der Offizier jemals bei diesem Manöver beobachtet hatte, und legte sich mit nur wenigen Zentimetern Abstand neben sie. Es war eine unglaubliche Demonstration von Schiffssteuerung, und hätte der Offizier sich nicht dermaßen über das andere Schiff geärgert, er wäre tief beeindruckt gewesen.
Kovac erinnerte sich an Berichte von einem großen Schiff und seiner illegalen Fahrt durch den Kanal von Korinth, genau an dem Tag, als Hanleys Sohn entführt worden war. Er hatte schon immer gewusst, dass zwischen diesen beiden Ereignissen eine Verbindung bestand, und nun tauchte der Frachter ausgerechnet in dieser Nacht auf. Mit dem Instinkt einer Ratte wusste er, dass sie wegen ihm hierher gekommen waren.
Er ging wieder hinein und hielt sich von den Mannschaftsmitgliedern fern. Ihr Walkie-Talkie funktionierte bei so viel Stahl ringsum nicht besonders gut, aber er erwischte Rolph Strong, den dritten Mann, der mit ihm auf das Schiff gebracht worden war.
»Rolph, ich bin’s, Kovac. Du musst alle aus dem Maschinenraum rausholen und dich dort einschließen. Niemand darf eintreten, und töte jeden, der sich widersetzt. Hast du verstanden?«
Im
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