Seuchenschiff
Dawn
noch schwimmfähig wäre. Wenn sie weiterhin ruhig und aufrecht liegen blieb, würde es gewiss noch Stunden dauern, bis der Maschinenraum vollständig überflutet wäre, also lange genug, um sich einen alternativen Fluchtweg zu suchen oder Eddie und den anderen Gelegenheit zu geben, seine Rettung vorzubereiten.
Kaum war ihm dieser Gedanke durch den Kopf gegangen, da lief ein langes Stöhnen durch den Rumpf, als der Stahl der zunehmenden Belastung nicht mehr gewachsen war und nachgab. Er spürte, wie das Schiff in Richtung Bug zu kippen begann. Die Wassermassen im Maschinenraum schwappten in einer gigantischen Woge gegen die hintere Tür. Die Woge rollte zurück, und Juan musste auf einen Tisch springen, um nicht gegen eine Wand geschleudert zu werden. Er ließ den Lichtstrahl durch den Raum gleiten und konnte erkennen, dass sich die Wassermenge, die vom Vorderschiff heraufdrang, mindestens verdoppelt hatte. Meerwasser schoss unter der Tür hervor, als könne der Ozean es nicht erwarten, sein neuestes Opfer zu verschlingen.
Cabrillos letzte Stunden waren schlagartig zu Minuten zusammengeschmolzen.
Er leuchtete durch den Raum und suchte nach irgendeiner Möglichkeit, aus seinem stählernen Gefängnis hinauszukommen. Eine verrückte Idee zuckte ihm durch den Kopf, er richtete den Lichtstrahl auf einen der riesigen Motoren und die Rohrleitungen, die davon aufstiegen. Der Lichtstrahl wanderte nach oben, und seine Blicke folgten ihm. »Aha!«
Julia wandte sich zu Jannike Dahl um und redete so behutsam wie möglich auf sie ein. »Janni, wir müssen Sie hier rausholen, aber dazu müssen Sie einen Schutzanzug anziehen, so einen, wie Eddie und ich ihn tragen.«
»Sinkt das Schiff?«, fragte die junge Frau.
»Ja. Wir müssen uns beeilen.«
Julia schaltete die batteriegetriebenen Ventilatoren und Luftfilter des Anzugs ein und öffnete den Frontreißverschluss. Sie sagte Janni nicht, dass der Anzug nicht für ihren Schutz, sondern für den Schutz der Mannschaft auf der
Oregon
gedacht war, für den Fall nämlich, dass sie sich bereits infiziert hatte. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass die Atemluft weiterhin ungehindert durch die Schläuche in ihre Nase strömte, stieg Janni mit ihren schlanken Beinen in den Schutzanzug und zog ihn sich über die schmalen Schultern. Julia half ihr dabei, die langen Haare in den Helm zu stopfen. Hux sah, dass es tagelang nicht gewaschen worden war. Jannikes Asthmaanfall hatte sie für eine ganze Weile ans Bett gefesselt.
»Atmen Sie tief durch die Nase ein und halten Sie so lange wie möglich die Luft an«, befahl sie.
Jannis Brustkorb dehnte sich, während sie den reinen Sauerstoff in ihre Lungen sog. Julia löste die Kanüle von Jannis Ohren und legte sie beiseite. Dann zog sie die beiden Hälften des Anzugs zusammen und schloss den Reißverschluss. Anschließend versiegelte sie die Nähte mit Klebeband.
Hux musste Eddie Respekt zollen. Trotz ihrer prekären Lage und der Eile verriet er keinerlei Anzeichen von Ungeduld. Er begriff, dass die junge Frau unter Schock stand und wie ein Kind behandelt werden musste. Wenn sie sich vorstellte, was Janni durchgemacht hatte, musste Julia zugeben, dass sie ihre Sache wirklich gut machte.
Als Eddie von seinem kurzen Kontrollgang zurückgekommen war, hatte er sich noch Zeit genommen, um Laken über die beiden Leichen vor Jannis Abteil zu decken. Die junge Frau starrte die beiden verhüllten Gestalten an, während Julia sie daran vorbeiführte. Die drei erreichten den Korridor, wo wegen der zahlreichen Toten noch nichts hatte unternommen werden können. Julia spürte, wie sich Jannis Hand in der ihren verkrampfte, doch zu Jannis Ehre muss gesagt werden, dass sie durchhielt. In der anderen Hand hielt Hux ihren Probenkoffer.
»Dieser Weg ist versperrt«, sagte Eddie und deutete mit einem Daumen in die Richtung, aus der sie vorhin gekommen waren. »Janni, gibt es noch eine andere Möglichkeit, um von hier aus das Hauptdeck zu erreichen?«
»Dieser Korridor endet dahinten als Sackgasse.« Diesmal schaute sie ihm konzentriert ins Gesicht, damit ihr Blick nur nicht auf die Toten fiel. »Aber am Ende gibt es eine Stahltür, von der ich gehört habe, dass die Mannschaft sie schon mal benutzt, um irgendwo unten bestimmte Arbeiten auszuführen. Vielleicht kommt man auf diesem Weg raus.«
»Perfekt«, sagte Eddie. »Das muss eine Reserveeinstiegsluke sein.«
Indem sie dem Lichtstrahl seiner Taschenlampe folgten, marschierten sie im
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