Seuchenschiff
Gänsemarsch durch den Korridor, und tatsächlich: So wie Janni es beschrieben hatte, gelangten sie zu einer großen ovalen Luke in der stählernen Gangwand. Eddie entriegelte und öffnete sie und warf einen Blick dahinter. Er brauchte einen Moment, um das Gewirr von Rohrleitungen zu identifizieren. »Das ist der Pumpenraum für das große Schwimmbecken. Das Wasser wird hier heruntergeleitet, um gefiltert zu werden, und dann wird es wieder hochgepumpt.«
Das Schiff knarrte plötzlich, als ob sein Rumpf zerbarst, und die
Golden Dawn
durchfuhr ein Ruck, der Jannike beinahe hinstürzen ließ. Julia fing sie auf, während sie und Eddie einen schnellen Blick wechselten. Die Zeit wurde knapp.
Eddie schlängelte sich durch die offene Luke und hielt nach einem anderen Fluchtweg Ausschau. Im Fußboden befand sich eine weitere Luke, umgeben von einem stählernen Geländer. Er ging auf die Knie runter und hievte die Klappe hoch, wobei die Scharniere, in denen sie hing, lautstark protestierten. Eine Leiter ragte in die Dunkelheit hinunter. Er stieg auf ihr hinab, wobei der Schutzanzug seine Bewegungsfreiheit erheblich einschränkte. So gelangte er in einen weiteren Raum und war von Strom- und Schaltschränken umgeben. Es handelte sich um die Verteilerzentrale für die Stromversorgung des Schiffes, normalerweise erklang hier ein ständiges Knistern und Summen. Nun jedoch herrschte Totenstille. Eine offene Tür führte in einen weiteren dunklen Korridor.
»Kommt mit runter«, rief er und wartete am Fuß der Leiter, um Janni bei den letzten Stufen zu helfen. Obwohl Eddie mit seiner Körpergröße deutlich unter dem Durchschnitt lag, hatte er den Eindruck, als könnte er die Taille der jungen Frau sogar jetzt, da der Anzug sie wie einen Schneemann aussehen ließ, mit seinen beiden Händen umschließen.
Julia kam nur wenige Sekunden später herunter, und Eddie führte die beiden Frauen aus dem Raum. Er hatte eine Frage an Jannike: »Können Sie erkennen, wo wir sind?«
»Ich bin mir nicht sicher«, erwiderte sie nach einem langen prüfenden Blick in die Dunkelheit. »Viele Bereiche des Schiffes sind für das Hotelpersonal gesperrt, und so lange bin ich auch noch nicht an Bord.«
»Schon okay«, versuchte Eddie sie aufzumuntern, da er spürte, wie enttäuscht sie war, ihnen nicht besser helfen zu können.
Da die
Dawn
mit dem Bug zuerst absackte, wandte sich Eddie nach achtern. In seinen Oberschenkeln spürte er eine leichte Anspannung, die ihm sagte, dass er sich bergauf bewegte. Noch war die Neigung gering, aber er wusste schon, dass sie steiler werden würde, je mehr Abteilungen überfluteten.
Wegen seines Anzugs spürte er den Lufthauch nicht, der ihn plötzlich von hinten traf. Es war das Zittern in den Deckplatten unter seinen Füßen, das ihn veranlasste, sich umzudrehen. Eine kniehohe Wasserwand rauschte durch den Korridor auf sie zu. Sie wirkte wie eine solide grüne Masse, die sie erreichte, ehe er einen Warnruf ausstoßen konnte. Vom Strom ergriffen, wurde das Trio auf dem Wellenkamm mitgerissen und wehrte sich verzweifelt rudernd gegen den Sog, bis der Schwung nachließ und sie sich auf den Deckplatten wiederfanden, umspült von den Ausläufern der Wasserflut.
Eddie kam als Erster auf die Füße und half Janni beim Aufstehen. »Sind Sie okay?«
»Ich glaube schon.«
»Julia, alles klar?«, fragte er.
»Ein bisschen durcheinander. Was ist passiert?«
»Offenbar hat sich ein Schott im Bugbereich nicht geschlossen und das Wasser eindringen lassen. Wir haben immer noch ein wenig Zeit.«
Sie setzten ihren Weg fort und wateten durch knöcheltiefes Wasser. Eddie kontrollierte die Aufschriften und Symbole auf den Türen, an denen sie vorbeikamen, immer in der Hoffnung, eine Treppe zu finden. Aber sie hatten kein Glück. Hier unten gab es nur Kühlräume und Ersatzteillager. Ein Doppel-T-Träger an der Decke erlaubte der Mannschaft, Rollwinschen zu benutzen, um schweres Gerät zum nächsten Fahrstuhl zu bringen. Für ihn ergab sich dadurch eine weitere Fluchtmöglichkeit, falls sie keinen Treppenzugang finden sollten. Er bezweifelte nicht, in einem Fahrstuhlschacht hochklettern zu können – und dass Hux es ebenfalls schaffen würde. Aber er glaubte nicht, dass Jannike genügend Kraft für eine solche Strapaze hatte. Wenn der Anzug nicht in Frage käme, könnte sie sich vielleicht an seinen Rücken klammern, während er sich als Bergsteiger betätigte. Es wäre immerhin eine Möglichkeit.
Er hätte beinahe die Tür
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