Seuchenschiff
konnte für einen Moment das Wasser zurückhalten, das durch den Schlitz eindringen wollte. Doch schnell begann der Anzug vollzulaufen. Juan arbeitete noch schneller, schnitt durch den Stoff, um sich zu befreien, ehe ihn die Flut verschlang. Er lag auf der Seite, und das Wasser drückte gegen sein Gesicht und zwang ihn, den Kopf zu drehen und zu versuchen, ihn ein wenig anzuheben, ohne das Gefühl dafür zu verlieren, wie weit er mit seinem Messer vorgedrungen war.
Seine neue Position war zu unbequem, um das Messer wirkungsvoll einsetzen zu können, daher holte er tief Luft und streckte sich wieder aus, führte das Messer um seinen Oberschenkel, um den eingeklemmten Stoff abzuschneiden. Seine Lungen rangen nach Luft, aber er ignorierte den Hilfeschrei seines Körpers und arbeitete trotz der drohenden Gefahr mit geradezu übernatürlicher Ruhe weiter. Er versuchte sich loszureißen, doch der zähe Plastikstoff wollte nicht nachgeben. Er versuchte es noch einmal mit dem gleichen Ergebnis. Nun musste er atmen, daher wuchtete er sich hoch, um das Wasser aus seinem Helm abfließen zu lassen. Aber der Druck war zu groß. Der Helm wollte sich nicht leeren.
Cabrillos Lunge rebellierte, einige Luftbläschen drangen aus seinem Mund. Es war, als versuchte er, ein Husten zu unterdrücken, und der daraus resultierende Schmerz in seiner Brust erinnerte ihn unnötigerweise daran, dass sein Gehirn nach Sauerstoff hungerte. Juan zwang sich, ruhig zu bleiben, aber der Überlebensdrang war stärker als alle Logik. Er krümmte sich wieder, um mit dem Messer weiterzumachen. Allerdings attackierte er den Anzug jetzt voller Hektik, während er gleichzeitig mit seinen letzten Kraftreserven daran zerrte.
Ohne Vorwarnung kippte er plötzlich nach hinten. Entweder hatte er den Fußteil des Anzugs völlig abgeschnitten oder der Stoff war endlich gerissen. Er wälzte sich auf die Knie und richtete sich wieder auf. Dabei spürte er, wie das Wasser durch den Riss im Stoff abfloss. Ängstlich darauf bedacht, sich keiner unsichtbaren Gefahr auszusetzen, holte er nur ganz wenig Luft, die kaum ausreichte, um die zunehmenden dunklen Schatten in seinem Bewusstsein zu vertreiben.
Er stellte sich hin und ließ das restliche Wasser aus seinem Anzug heraussickern. Bei dem Meerwasser, das unter der Tür einströmte, konnte Juan auf einem Bein nicht sicher stehen, daher hüpfte er einen knappen Meter weit bis zu einer Werkbank. Sich dagegen lehnend, band er das freie Ende des Hosenbeins ab und machte einen festen Knoten. Er drosselte die Luftzufuhr, als sich der Anzug durch den zunehmenden Innendruck wieder aufblähte und steif wurde. Er war sich darüber im Klaren, dass weiterhin Luft durch den Schnitt ausströmte. Aber da der Anzug wieder unter Druck stand, durfte er wohl davon ausgehen, dass nichts eindringen konnte. Alles in allem war er dem Virus nur eine winzige Zeitspanne lang ausgesetzt gewesen und hatte davon die meiste Zeit unter Wasser verbracht, so dass er darauf vertraute, nicht infiziert worden zu sein.
Seine Zuversicht bekam jedoch einen argen Dämpfer, als ihm bewusst wurde, dass er in einem sinkenden Schiff gefangen war und keine Möglichkeit hatte, mit seinem Team oder der
Oregon
zu kommunizieren.
Mit ausgestreckten Händen tastete er sich blind durch die Dunkelheit und verließ sich auf seinen Tastsinn, um seine Position innerhalb des höhlenartigen Raums zu bestimmen. Ohne sein künstliches Bein konnte er sich nur unbeholfen bewegen, schließlich fand er aber eine weitere Werkbank, die er vorher schon gesehen hatte. Er öffnete einige Schubladen und tastete darin herum, identifizierte verschiedene Werkzeuge, bis er fand, was er zu finden gehofft hatte.
Die Taschenlampe war nicht so leistungsfähig wie jene, die er verloren hatte, aber ihr Lichtstrahl gab ihm doch neue Hoffnung. Wenigstens war er nicht mehr blind. Er hüpfte quer durch den Maschinenraum, behindert durch die steigende Wasserflut, die bereits bis zu seinen Knien reichte. Er passierte die beiden Dieselmotoren und erreichte die wasserdichte Tür am anderen Ende. Sie war geschlossen. Er suchte nach einem manuell zu bedienenden Verschluss, mit dem er sie würde öffnen können, aber einen solchen Mechanismus gab es nicht.
Panik schlängelte sich wie mit klebrigen Tentakeln in sein Bewusstsein, und er drängte sie mit Macht zurück. Da er nicht wusste, welchen Schaden die Sprengladungen dem Schiff zugefügt hatten, konnte er auch nicht einschätzen, wie lange die
Golden
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