Seuchenschiff
einfachen Nachttisch ausgestattet. Dort lagen zwei weitere Opfer auf dem Fußboden, eine junge Frau in einem eng geschnittenen schwarzen Kleid und ein Mann mittleren Alters in einem Bademantel. Wie alle anderen waren auch sie mit ihrem eigenen Blut besudelt.
»Meinst du, das ist der Doktor?«, fragte Eddie.
»Ich denke schon. Wahrscheinlich wurde er in seiner Kabine von dem Virus infiziert und ist daraufhin so schnell wie möglich hierhergekommen.«
»Nicht schnell genug.«
»Für dieses Virus ist niemand schnell genug.« Julia legte den Kopf leicht schief. »Hörst du das?«
»In diesem Anzug kann ich nicht mehr hören als meinen eigenen Atem.«
»Es klingt, als liefe hier irgendeine Pumpe oder so etwas.« Sie zog einen Vorhang zurück, der ein Bett umgab. Die Decke und die Laken waren frisch gewaschen und glatt.
Sie ging zum nächsten Abteil. Auf dem Fußboden neben dem Bett stand eine akkubetriebene Sauerstoffmaschine, wie Leute mit Atemproblemen sie benutzen. Die transparenten Plastikschläuche verschwanden unter der Bettdecke. Julia leuchtete auf das Bett. Jemand lag darin und hatte die Decke bis über den Kopf gezogen.
Sie machte einen schnellen Schritt. »Wir haben einen Lebenden!«
Huxley schlug die Decke zurück. Eine junge Frau lag darunter und schlief fest. Die Luftschläuche schlängelten sich direkt in ihre Nase. Ihr dunkles Haar breitete sich fächerartig auf dem Kissen aus und umrahmte ein blasses, fein geschnittenes Gesicht. Sie war bis auf die Knochen abgemagert und hatte lange Arme und schmale Schultern. Julia konnte die Umrisse ihrer Schlüsselbeine durch das T-Shirt erkennen. Selbst im Schlaf musste sie eine Tortur durchgemacht haben, die ihre Spuren hinterlassen hatte.
Flatternd schlug sie die Augen auf und stieß einen Schrei aus, als sie die beiden Gestalten in Raumanzügen gewahrte, die sich über ihr Bett beugten.
»Es ist alles okay«, sagte Julia. »Ich bin Ärztin. Wir sind hier, um Sie zu retten.«
Julias gedämpfte Stimme nützte wenig, um die Frau zu beruhigen. Ihre blauen Augen waren vor Angst weit aufgerissen, und sie drückte sich gegen das Kopfbrett und raffte Decke und Laken an sich, als wollte sie sich darunter verstecken.
»Mein Name ist Julia. Das ist Eddie. Wir holen Sie hier raus. Wie heißen Sie?«
»Wer … wer sind Sie?«, stammelte die junge Frau.
»Ich bin eine Ärztin von einem anderen Schiff. Wissen Sie, was hier passiert ist?«
»Gestern Abend, da war eine Party.«
Als die Frau nicht weiterredete, nahm Julia an, dass sie unter Schock stand. Sie wandte sich an Eddie. »Bring noch einen weiteren CSA her. Wir können sie nicht vom Sauerstoffgerät trennen, ehe sie in so einem Anzug drin steckt.«
»Warum das denn?«, fragte Eddie, während er die Plastikverpackung des Anzugs aufriss.
»Ich glaube, deshalb hat sie überlebt und sonst niemand. Das Virus muss durch die Luft übertragen werden. Sie atmete aber nicht die allgemeine Atemluft, sondern hing am Sauerstoffsystem des Lazaretts, und als das zusammenbrach, benutzte sie das tragbare Gerät hier.« Julia sah wieder die junge Frau an. Sie schätzte ihr Alter auf Anfang zwanzig. Entweder war sie eine Passagierin, die mit ihren Eltern reiste, oder sie gehörte zur Besatzung. »Können Sie mir Ihren Namen nennen?«
»Jannike. Jannike Dahl. Meine Freunde nennen mich Janni.«
»Darf ich Sie auch Janni nennen?«, fragte Julia, setzte sich aufs Bett und hielt die Taschenlampe so, dass Janni ihr Gesicht durch die Visierscheibe des Anzugs erkennen konnte. Jannike nickte. »Gut. Mein Name ist Julia.«
»Sind Sie Amerikanerin?«
In dem Augenblick, als Julia den Mund zu einer Antwort öffnen wollte, erfüllte ein tiefer, dumpfer Ton den Raum. »Was war das?«
Eddie schaffte es nicht, ihr zu erklären, dass es eine Explosion war, ehe ein zweiter, näher gelegener gedämpfter Knall durch das Schiff hallte. Jannike schrie wieder und zog die Laken über ihren Kopf.
»Wir müssen gehen«, sagte Eddie. »Jetzt!«
Zwei weitere Explosionen erschütterten die
Golden Dawn.
Eine fand in nächster Nähe des Lazaretts statt, schleuderte Seng zu Boden und zwang Julia, ihren Körper zu nutzen, um Jannike abzuschirmen. Eine Lampenfassung stürzte mit lautem Krachen von der Decke herab. Die Leuchtstoffröhre zersprang mit einem lauten Knall.
Eddie rappelte sich auf. »Bleib bei der Frau.« Er verließ eilig den Raum.
»Janni, es ist okay. Wir holen Sie raus«, sagte Julia und zog die Decken wieder runter. Tränen rannen
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