Sex & junge Eltern
Geliebten-Lieblingsstelle, wächst ein Kind. Ich will sie drücken, so fest ich kann, und gleichzeitig beschützen vor allem, was ihr zu nahe kommen könnte. Da drin im Leib der Liebsten basteln millionenfache Teilungen aus einem Zellklümpchen einen Menschen, stelle ich mir vor. Wie zerbrechlich alles sein muss, wie anfällig für Störungen. Kinderkriegen ist so unbegreiflich wie Strom aus Steckdosen. Vielleicht entsteht genau in diesem Moment der kleine Daumen. Oder ein Nasenflügel. Oder ein Stückchen Herz. Mach, dass nichts schiefgeht bei den vielen Zellen, mach, dass alles drin ist, mach mein Kind gesund. Bitte.
Vor dem Leib wachsen derweilen die Brüste in den Himmel. Keines der vielen Schwangerschaftsbücher erklärt, welchen biologischen Sinn es hat, den Busen vor dem Bauch wachsen zu lassen. Wer soll das verstehen? Die Vorhöfe erwachen aus dem Mädchenschlaf, zwicken und wollen massiert und geölt werden. „Wegen der Schwangerschaftsstreifen“, sagt sie. „Und wenn du schon dabei bist, könntest du nicht auch den Bauch, den Rücken und den Po …?“
Wie empfindsam sie nun ist. Ein Hauch genügt, ein luftiges Streifen mit dem Handrücken, und sie schließt die Augen, saugt mich auf mit ihrer Frauenhaut. Als ob sie Energie tanken würde, als ob Erotik ihr Kraftwerk wäre.
Plötzlich erscheint das lang ersehnte Zeichen als einsames Tröpfchen Vormilch an der Brustspitze. Das bisschen Milch macht einen sinnvollen Unterschied: Brust, Milch und Baby, das geht auf. Im selben Moment wird das Ungeborene Hauptaktionär an ihren Brüsten. Ich beginne sie zu teilen und mich zärtlich zurückzunehmen.
Mit jedem Quentchen Bauch wird sie mehr zur Mutterhöhle und ich zu ihrem Feuer. Am liebsten ist uns die Stellung, sie zu umschließen, ihren Po in meinen Leisten, beide Arme tragen den Bauch. So können wir die Zeit anhalten, uns langsam und fast schwerelos ineinander schieben. Zwischendrin, in ihrer Höhle, wohnt mein Kind. Ganz langsam, keine Eile, kein Grund mehr für Kunststückchen.
Man hört von Prostaglandinen und vorzeitig geöffneten Muttermündern. Aber was heißt das? Mit jeder Horrorschwangerschaftsgeschichte sinkt das Männerherz ein Stückchen tiefer in die Hose. Das Dumme nur: Dort bleibt es liegen.
Vorsicht ist geboten, man kann nie wissen. Keine Akrobatik mehr, fertig machen zum Kuschelsex. Aber, ganz verkehrt: Genau das will sie nicht. „Ich bin schwanger, Schatz, nicht krank, ich sag dir schon, wenn es nicht geht.“ Klar, die Instinkte. Ihre sind sicherer als meine, sie ist Mutter und Kind in einer Person, ich nur der unsichere Beobachter. Sie will Frau sein, wie vorher auch. Unser Liebesspiel ist Bestätigung dafür, dass alles gut ist mit uns beiden, dass ich sie begehre mit all der Veränderung an ihr. Sie will Geliebte sein, nicht schützenswertes Kulturgut. Und ich, ich will sie nur bewundern, einsalben, massieren und mich kümmern.
Wenn wir uns so lieben, sie, das Es, ich und mein Gewissen, dann sie mit Überschwang und ich mit Vorsicht. Mit jeder Woche werde ich paranoider und sie lustvoller.
Vielleicht will das kleine Es mir etwas andeuten, wenn es mich durch die Bauchdecke tritt? Alles Zufall, meint sie, es freue sich über Besuch, und schließlich sei es genau so hineingekommen.
Im sechsten Monat beginnen die Hosen zu zwicken, der erste Knopf bleibt offen, der zweite, nichts will ihr mehr auf die Hüften passen. Dann die Zweifel: „Sag mal, findest du mich sehr dick? Ich fühle mich aufgequollen.“ Uff. Sie ist das blühende Leben und verführerischer denn je. Für mich wird sie mit jedem Bauchzentimeter heiliger, mit jedem Tag schützenswerter, schöner und zerbrechlicher.
Beim Frauenarzt sehe ich nun mein Kind, das aus einer kleinen Bohne gewachsen ist. Es bewegt sich ganz unwirsch, und plötzlich … Hat es mir da etwa zugewunken? Das gibt mir zu denken. Im gleichen Maß, wie sie mit dem Kind wächst, mutiere ich vom Liebhaber zum staunenden Zaungast. Die Geburt ist ein elender Kampf. Sie schreit und kämpft und krallt sich ein. Mit jeder Wehe stehe ich mehr in ihrer Schuld. Ich sehe ihre Schamlippen, gespannt wie ein Tamburin. Ich sehe, wie sie leidet, und kann nichts tun. Der Damm wird geschnitten. Das Kind, ein Mädchen! Wie schön es ist.
Die Scheide eine klaffende Wunde. Sie geben mir das Kind in den Arm, vergessen, die Tür zu schließen, sie müssen sich beeilen. Alles geht gut. Aber ich weiß nicht, ob ich ihr das noch einmal antun will.
Jetzt ist das Kind
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