Sex oder Lüge
Handtasche nach den Schlüsseln und schloss dann auf.
Irgendwie tat dieser Moment weh, Caleb wusste nicht genau, was er machen sollte. Also hielt er ihr zunächst einmal die Tür auf, blieb jedoch auf der Veranda stehen.
„Trotz allem danke für den schönen Tag.“ Miranda wandte sich zu ihm um und sah ihm in die Augen. „Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so viel Spaß hatte. Und obendrein warst du auch noch bei mir.“
„Mir hat es auch großen Spaß gemacht.“ Er wusste, dass er jetzt gehen musste. Es nützte nichts, wenn sie weiterhin hier standen und sich immer wieder aufs Neue verabschiedeten, obwohl es nur eine Art gab, dies richtig zu tun.
Vorsichtig trat er einen Schritt näher, legte eine Hand an ihre Wange und zog Miranda zu sich. Dann küsste er sie.
Es war ein behutsamer, zögernder Kuss. Ihre Lippen berührten sich ganz sacht, bis Caleb langsam mit der Zunge in ihren Mund eindrang.
Noch bevor er einen Laut hörte, wusste er, dass sie weinte. Er spürte ihr Zittern und fühlte die Feuchtigkeit an seinem Gesicht. Sanft küsste er die Tränen weg und strich mit den Daumen über ihre feuchten Wangen.
Miranda ergriff sein Hemd an der Brust – und trat einen Schritt zurück. „Wo ist dein Mantel? Ist dir nicht kalt?“
Erst jetzt merkte er überhaupt, wie stark er fror. „Geht schon. Die Heizung im Auto funktioniert ja bestens.“
„Dann solltest du lieber zurück zum Hotel fahren, damit Alan nicht zu Fuß nach Hause muss.“
„Ja, das sollte ich lieber.“
„Danke noch mal für den Miniurlaub.“
„Ich danke dir.“ Seine Brust schmerzte so stark, als würde er jeden Moment einen Herzinfarkt bekommen. „Für alles.“
Noch nie hatte Miranda einen Montagmorgen so gehasst.
Ohne überhaupt geschlafen zu haben und ohne Frühstück fuhr sie früh zur Arbeit.
Vergeblich hatte sie mit allen möglichen Mitteln versucht, Schlaf zu finden. Sie war zwischen Schlafzimmer und Küche hin- und hergelaufen, hatte geduscht, bis das heiße Wasser aufgebraucht war, doch nicht einmal ein Beruhigungstee vor dem Kamin hatte Wirkung gezeigt.
Kein Wunder. Nichts und niemand konnte sie beruhigen.
Die sechs Tage mit Caleb waren wundervoll gewesen. Sechs Tage, und sie waren ihr vorgekommen wie sechs Wochen oder sechs Monate. Doch jetzt waren sie vorbei. Er war fort, und ihr Geheimnis hatte er mitgenommen, ausgerechnet in die Stadt, in der ihr Leben in Scherben gelegen hatte. Nun konnte sie nur noch in ihrem Versteck sitzen und abwarten, dass er sie der Öffentlichkeit preisgab.
Um vier Uhr früh hatte sie überlegt, ob sie ihn noch vor seiner Abreise anrufen sollte, um ihn zu fragen, ob er schon wusste, wie er sich verhalten würde.
Letztlich hatte sie sich aus Stolz dagegen entschieden. Sie hatte ihm ihre Vergangenheit ganz bewusst offenbart, also musste sie jetzt auch mit den möglichen Folgen leben.
Zum ersten Mal seit langer Zeit traf sie noch vor Corinne am Blumenladen ein.
Corinne blieb in der Tür stehen, sah verblüfft auf ihre Uhr und wieder zu Miranda, die am Arbeitstisch Nelken sortierte. „Bin ich hier richtig?“
Miranda gab nur einen unwilligen Laut von sich. „Keine Witze, Brautmutter. Ich bin nicht in Stimmung.“
„Das merke ich.“ Corinne räumte ihre Handtasche weg und zog sich die Arbeitsschürze an. Sie wirkte jünger und unbeschwerter als seit Jahren. „Könnte es etwas damit zu tun haben, dass die Liebe deines Lebens abgereist ist?“
„Die Liebe meines Lebens war er nicht, ist er nicht und wird er niemals sein. Er war … einfach nur ein Mann.“ Sie konnte es kaum aussprechen, weil es eine so dicke Lüge war. „Wir sind erst spät aus Golden zurückgekommen, und ich habe nicht geschlafen. Deshalb stehe ich jetzt schlecht gelaunt und müde vor dir.“
„Fahr nach Hause und schlaf.“ Im Auftragsbuch blätternd, suchte Corinne die anstehenden Aufträge heraus. „Es gibt nichts, womit ich, die ich keine einzige Sorge auf der Welt und noch dazu einen wundervollen neuen Schwiegersohn habe, nicht allein fertig werde.“
Sie freute sich für Corinne, aber der Gedanke, dass Caleb gerade nach Hause flog, deprimierte Miranda trotzdem. „Wenn ich jetzt heimfahre, laufe ich doch nur hin und her, genau wie heute Nacht.“
„So, und das möchtest du lieber hier tun und damit deine Umwelt quälen?“
Tief durchatmend, strich Miranda sich durchs Haar. „Nein, ich verspreche, niemand wird unter mir leiden.“
„Weißt du, eigentlich ist er gar kein so schlechter
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