Sex oder Lüge
wollte ihr Leben stolz und selbstbewusst führen, auch wenn sie dafür die Zeit mit Caleb als wunderschöne Erinnerung abhaken musste, so schwer ihr das auch fiel.
Sein abschließendes „Wir werden sehen“ war offensichtlich seine Art gewesen, ihr mitzuteilen, dass es zwischen ihnen aus war. Hätte er nicht einfach sagen können, wie sehr er die Woche genossen hatte? Das wäre definitiv ein netterer Abschied gewesen.
Zugegeben, sie hätte ihn auch anrufen können. Über ihre Kontakte in Baltimore hätte sie seine Nummer bestimmt herausgefunden, selbst wenn er nicht im Telefonbuch stand. Vorausgesetzt, ihre Bekannten schafften es, den Schock zu überwinden, dass Miranda sich nach all der Zeit bei ihnen meldete. Aber die Vorstellung, ihm jetzt nachzulaufen, kam ihr sehr verzweifelt vor.
Sie saß auf der Bank vor ihrem Schminktisch und betrachtete ihr Spiegelbild. Bevor Caleb McGregor in ihr Leben getreten war, hatte sie sich oft einsam gefühlt und sich bei Corinne und Patrice über den Mangel an ledigen Männern in Mistletoe beklagt, bis ihre Freundinnen es leid geworden waren, sich ihr Gejammer anzuhören.
Doch nie zuvor war sie so deprimiert gewesen.
„Miranda? Bist du da drin?“
Entschlossen, sich wieder der Welt zuzuwenden, drehte Miranda sich von ihrem Spiegelbild weg. „Es ist offen, Patrice. Komm rein.“
Patrice öffnete die Tür. „Ich habe mehrmals geklopft. Ich dachte schon, du bist im Bad.“
„Nein, ich war in Gedanken. Tut mir leid, ich habe dich nicht gehört.“
„Ich brauche gar nicht erst zu fragen, woran du gedacht hast. In letzter Zeit denkst du ohnehin fast nur noch an Caleb.“ Patrice setzte sich neben sie. „Vielleicht hilft dir das hier.“ Sie reichte ihr einen dicken Umschlag, auf dem ihre Adresse stand und als Absender nichts als die Buchstaben C und M.
Behutsam strich Miranda über die Initialen, obwohl ihr Puls raste. Es waren weder Briefmarke noch Stempel auf dem Umschlag. „Ist er hier?“
„Nicht dass ich wüsste.“ Patrice tippte auf den Umschlag. „Es kam bestimmt mit der übrigen FedEx-Lieferung. Alan sagte, er hätte dir zugerufen, als du kamst, aber …“
Miranda hatte es bemerkt, aber beschlossen, ihn zu ignorieren. „Ja, ich habe ihn gehört, aber mein Selbstmitleid war mir wichtiger als eine Unterhaltung.“
„Ach, Kleines.“ Patrice legte ihr einen Arm um die Schultern. „Was ist denn diesmal so schlimm?“
Miranda stieß ihr den Ellbogen in die Rippen. „Diesmal? Das werde ich dir nicht verraten.“
„Das brauchst du auch nicht. Man sieht es dir ja sehr deutlich an.“
Sie sah wieder in den Spiegel. „Die Augenringe überschminke ich, und dann sieht man mir die Schlaflosigkeit auch nicht mehr an.“
„Soll ich dir mal sagen, was ich sehe?“ Patrice hielt den Umschlag hoch. „Ihn. Du liebst ihn, aber du unternimmst nichts.“
„Was soll ich denn tun?“ Miranda hob die Hände. „Er hat gesagt, er meldet sich, aber er hat nichts von sich hören lassen.“
Seufzend schwenkte Patrice den Umschlag hin und her. „Und wie nennst du das hier?“
„Einen Monat später?“
„Er ist ein Mann, Miranda. Ein Monat zum Sich-Klarwerden über die eigenen Gefühle ist da gar nichts.“
Zögernd sah sie auf den Umschlag. Dort steckte bestimmt etwas drin, was ihr zeigte, wie er sich entschieden hatte. Wieso schrieb er ihr so etwas, anstatt es ihr zu sagen?
Auffordernd klopfte Patrice auf den dicken Umschlag. „Bist du denn gar nicht neugierig?“
„Und wie.“
„Dann mach auf und sieh nach, was er dir zu sagen hat.“ Patrice half ihr auf die Sprünge, indem sie die Klebelasche öffnete.
Langsam zog Miranda einen Stapel Blätter heraus, die an einer Längsseite zusammengeheftet waren. Obendrauf klebte ein handgeschriebener Zettel.
„Der Anfang meines Buchs. Ich wollte, dass du ihn als Erste liest. Caleb.“
„Oh“, stieß Patrice aus. „Einer Sneakpreview konnte ich noch nie widerstehen.“
„Wenn ich mit meiner Vermutung richtigliege, geht’s darin um mich.“ Aber wieso sollte Caleb in einem Buch über sie schreiben? Und wenn nicht, warum schickte er es ihr dann?
Nachdenklich schwieg Patrice einen Moment. „Dann solltest du es vielleicht lieber erst nach der Show lesen.“
„Nein, ich will wissen, was er mir zu sagen hat.“
„Soll ich mal durchblättern und dir die besten Stellen raussuchen?“
Miranda schüttelte den Kopf. Nein, sie würde stark sein. Nichts, was er geschrieben hatte, konnte ihr wehtun, egal, ob es
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