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Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)

Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)

Titel: Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shereen El Feki
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Situation unverheirateter Frauen in den letzten zehn Jahren; die kategorische Verstoßung durch die Familie weicht inzwischen einer zunehmenden Annäherung.
    Faiza hat ihren Sohn sogar zu einem Besuch bei ihren Eltern mitgenommen. Zunächst herrschte eine gewisse Verlegenheit, vor allem gegenüber ihrem Vater, aber er hat sich nicht nur wieder beruhigt, sagt sie, sondern ihn beeindruckt mittlerweile sogar ihre neue Zielstrebigkeit. »Ich finde, dass sich viel verändert hat. Früher war ich nicht verantwortungsbewusst; ich wusste nicht, was Verantwortung war. Ich wusste nicht, wie es ist, stark zu sein«, sagte sie mir. »Du hast ein Problem, aber dieses Problem macht dich stark. Ich bin gefallen, wieder und wieder, aber ich habe viel daraus gelernt.«
    Auch wenn Umfragen zeigen, dass viele unverheiratete Frauen das Gefühl haben, dass ihnen die Gesellschaft die kalte Schulter zeigt, ist Faiza stolz auf ihre neuen Verpflichtungen. »Die Menschen respektieren mich, von den Jungen bis zu den Alten, und wieso? Weil ich mich gut um mein Baby kümmere, weil ich es gut anziehe, weil ich Verantwortung übernehme, aus diesem Grund respektieren sie mich. Sie sagen nie: ›Du bist eine unverheiratete Mutter.‹« Nach Faizas Meinung ändern sich die Zeiten. »Heute ist es nicht mehr wie früher. Heute verstehen sie, was eine alleinerziehende Mutter ist. Es ist ein Problem in Marokko, aber die Menschen wissen, wenn du mit deinem Baby leben willst, kannst du es.« Dies führt sie auf die Arbeit von Gruppen wie SolFem und INSAF zurück. »Die Vereinigungen sind eine Anlaufstelle für Menschen. Denn sie sprechen durch die Zeitungen und sogar durch das Fernsehen die Menschen direkt an. Unverheiratete Mütter sind in Marokko nichts Absonderliches. Es hat sie immer gegeben, aber es war ein Tabu. Aber jetzt öffnen wir uns, jetzt reden wir.«
    Diese neue Offenheit ist zu einem großen Teil das Verdienst von Aicha Ech-Chenna, einer imposanten Großmutter und Gründerin von SolFem. Als sie die Organisation vor 25 Jahren ins Leben rief, war es ein harter Kampf, unverheiratete Mütter dazu zu bringen, in der Öffentlichkeit zu reden, so sehr schämten sie sich für ihre Situation. »Hört zu, ihr habt kein Verbrechen begangen«, lautet ihre Botschaft. »Ihr seid das Opfer eines Fehlers, ihr seid das Opfer eines Heiratsversprechens oder einer Vergewaltigung – ich weiß nicht, was. Wenn jemand den Hut ziehen sollte, dann ist es die Gesellschaft, die euch den Laufpass gegeben hat, denn ihr habt den Mut, eure Kinder zu behalten.«
    Ech-Chennas tiefes Mitgefühl mit der Not alleinerziehender Mütter erklärt sich zum Teil aus ihrer eigenen Biographie. Ihr Vater ließ sich von ihrer Mutter scheiden, die ihre Kinder allein großzog. Ech-Chenna selbst machte eine Ausbildung zur Krankenschwester, bevor sie Sozialarbeiterin wurde, wo sie unverheirateten Müttern in verzweifelten Notlagen begegnete, die ihre Kinder in Waisenhäusern abgaben. »Ich glaube, ich bin die erste Frau, die über all diese Tabus im Fernsehen und im Radio gesprochen hat. Ich hab die erste Bombe geworfen«, sagte sie mir. In den 1990er Jahren begann sie ihre Meinung lautstark zu vertreten. Heute ist sie eine echte Berühmtheit, König Mohammed VI. ist ein Fan von ihr, und die High Society hat ihre Türen und ihre Brieftaschen für ihre Sache geöffnet. Ich traf Ech-Chenna nach ihrer Rückkehr von einer Reise durch Amerika, wo sie einen Preis für »religiös motivierte unternehmerische Initiative« erhielt (samt einem Preisgeld in Höhe von einer Million Dollar). Ihr Telefon stand nicht mehr still, und wir quetschten unsere Unterhaltung zwischen Radio- und Fernsehinterviews.
    Trotz dieses Erfolgs lief es für sie nicht reibungslos. Im Jahr 2004 wurde das marokkanische Personenstandsgesetz, die Mudawwan a , grundlegend reformiert, und im Zuge dessen wurden mehrere traditionelle männliche Privilegien eingeschränkt. Das reformierte Gesetz verlangt von Männern unter anderem, die ausdrückliche Zustimmung ihrer gegenwärtigen Ehefrauen einzuholen, bevor sie weitere Ehen eingehen (und es erlaubt Ehefrauen auch, diese Option in ihrem eigenen Ehevertrag von vornherein auszuschließen); es schränkt die Praxis, die Ehefrau zu verstoßen, ein und überträgt Zivilgerichten die ausschließliche Zuständigkeit für Scheidungsfragen; außerdem verfügt es, dass die Vormundschaft des Ehemanns endet, sobald eine Frau volljährig wird. Die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung

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