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Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)

Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)

Titel: Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shereen El Feki
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Lehrer ein ideales Übungsgelände.
    Es hat nichts Unislamisches, Menschen über Sexualität – einschließlich ihrer Freuden – aufzuklären, ganz im Gegenteil. Abgesehen von Fragen der Moral und Hygiene geht es in der Sexualerziehung auch um Vertrauen – darum, jungen Menschen Informationen anzuvertrauen, ihnen zuzutrauen, verantwortungsvolle Entscheidungen für sich selbst zu treffen und die Rechte und Bedürfnisse anderer zu respektieren. Wenn Jugendliche überall in der arabischen Welt so reif sind, dass sie ihre Gesellschaften in die politische Revolte führen können und dafür von den Älteren bewundert werden, dann sind sie zweifellos auch bereit für eine ungeschminkte sexuelle Aufklärung.

Im Alleingang
     
    So muss es nicht sein. Faiza, eine junge Frau, die ich in Marokko kennenlernte, ist der lebende Beweis dafür, dass es für unverheiratete Mütter anders sein kann. Unsere Wege kreuzten sich in Casablanca, wo ich landete, nachdem ich fast zwei Jahre lang auf Achse gewesen war. Ich war kreuz und quer durch die arabische Region gereist, mit einem riesigen Sack voller Bücher und Papiere, die ich unterwegs mitgenommen hatte, und von der schweren Last taten mir mittlerweile die Schultern weh. Als ich in Marokko ankam, suchte ich ein Hammam auf, diesen Gipfel orientalistischer Phantasien, um mich ein wenig zu erholen. Die Vorstellung einer herrlichen Fülle nackter Frauenkörper, die frisch gebadet, gesalbt und parfümiert sind, hat bekanntlich Generationen westlicher Schriftsteller und Maler in Wallung versetzt. Ich dagegen interessierte mich mehr für eine Osteopathin als für eine Odaliske, es sei denn, diese erwies sich zugleich als versierte Masseuse. Ich brauchte jemanden, der meine wulstigen, verspannten Muskeln wieder in geschmeidige, lange Fasern verwandeln konnte, von dem anatomischen Pendant einer basbousa , einem mächtigen Grießkuchen, den meine Großmutter zu backen pflegte, in die goldenen Teigfäden von kunafa , einer anderen ihrer süßen Köstlichkeiten. Ich hatte Glück. Nach einstündiger Massage war ich in einer viel besseren Form.
    Einige Wochen später kehrte ich zurück, um mich mit Faiza zu unterhalten, die an der Kasse arbeitete. Sie ist Anfang zwanzig und ein echter Hingucker: grüne Katzenaugen in einem bleichen, herzförmigen Gesicht, eingerahmt von herabfallenden kupferfarbenen Locken. Ihre außerordentliche Schönheit verdankt sich ihrer ungewöhnlichen Abstammung; sie ist eine amazig h , eine Berberin, und gehört damit einer der indigenen Bevölkerungsgruppen Marokkos an. Faiza ist temperamentvoll und redselig, ganz besonders wenn sie von ihrem Sohn spricht: »Wir verliebten uns sofort ineinander … Wissen Sie, mein Baby und ich, wir sprechen mit den Augen.« Sie erzählte mir von der Entbindung … sechzehn Stunden ungelinderte Schmerzen, sagte sie. Dann fügte sie hinzu: »Ich bin Jungfrau. Ich habe zwei Papiere [ärztliche Atteste], die meine Jungfräulichkeit bestätigen.«
    Willkommen im modernen Nahen Osten, wo auch nach 2000 Jahren jungfräuliche Geburten noch immer eine Tatsache des Lebens sind. Faizas Mitteilung war nicht bloßes Wunschdenken. Sie lernte den Kindsvater, der zwanzig Jahre älter ist als sie, kennen, als er für eine Wassergesellschaft arbeitete, die in ihrer Kleinstadt im Süden Marokkos Häuser an die Kanalisation anschloss. Sie wurden durch einen gemeinsamen Bekannten einander vorgestellt: »Ich habe ihn immer für einen Freund gehalten. Aber eines Tages lud er mich zu sich ein; er sagte, er sei krank. Ich sagte, ich würde kommen und ihn besuchen, er war allein dort. Als ich bei ihm war, wollte er mit mir schlafen. Ich sagte, na schön, aber komm zwischen meinen Schenkeln.«
    Einen Monat später blieb bei Faiza die Periode aus, aber sie dachte sich nichts weiter dabei. Nach zwei weiteren Monaten schickte ihre Mutter – die beunruhigt war wegen der Schwindelgefühle, der Schläfrigkeit und der Kopfschmerzen ihrer Tochter – Faiza zu einem Arzt in das 250 Kilometer entfernte Agadir. »Der Arzt sagte mir, ich sei schwanger. Ich glaubte es nicht. Ich weinte viel; ich wusste nicht, was ich tun sollte«, erzählte sie. »Ich war zum ersten Mal schwanger, daher glaubte er, dass ich eine Abtreibung wollte, weil er mich weinen sah. Aber ich weinte, weil ich meine Situation kannte … Ich war noch immer Jungfrau und wurde schwanger. Es war der schwerste Schicksalsschlag in meinem Leben.«
    Als sie nach Hause kam, zog sie nur ihre Mutter und ihre

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