Sexualitaet mit Leib und Seele
ganzen Körper erotisch empfinden, sich aufmerk sam spüren, sich liebevoll anfassen, Kuscheln, Streicheln, bewusstes Atmen, entspanntes Wohlfühlen. An die Stelle der hohen Spannung tritt ein umfassendes Berührtsein, körperlich und seelisch, eine erotische Grundwärme, ein warmes Hingezogensein, ein inneres Aufmachen. Die Essenz von Yin-Sex ist die Intimität. Auf diese Weise Liebe zu machen verbindet die Partner und stärkt die Nähe zwischen ihnen. Da eine tiefere Begegnung stattfindet, geht’s nicht ohne Liebe.
Um es noch mehr zu verdeutlichen:
Yang-Energie strebt nach Selbstbestätigung, Yin-Energie fördert Innigkeit. Im Yang-Sex will man die Penetration, im Yin-Sex strebt man nach Vereinigung. Yang-Sex ist faktisch und auf Ergebnisse gerichtet, steuert zielgerichtet auf den Orgasmus zu – Augen zu und durch. Im Yin-Sex genießt man es, in der Gegenwart zu verweilen, es ist ein Innehalten, ein In-Kontakt-Sein mit dem Partner.
Dabei, wenn man ehrlich ist, klingt nur der testosterongesteuerte Yang-Sex nach richtigem Sex – und Yin-Sex eher nach langweiliger Kuschelei. Das mag an dem Bild liegen, das wir von Sex haben und das von den Unterhaltungsmedien genährt wird. Doch dies ist nicht die ganze Wahrheit. Der Yang-Sex ist so populär, weil man damit Emotionen abwehren kann. Bloß keinen Augenblick verweilen, sonst können Gefühle einsickern, bloß keiner Stille Raum geben, in der man schwach werden könnte, bloß keine Hingabe zulassen, sonst verliebt man sich vielleicht wirklich.
Für unsere Seele ist nicht der Yin-Sex langweilig, sondern genau der andere Pol. Turnübungen mit Ego-Show? Nein danke. Unsere Seele sehnt sich nach Gefühlen.
Frauen wollen Sex mit Gefühlen –
und Männer tief drinnen auch
»Trau keinem Wesen, das einmal im Monat blutet, ohne daran zu sterben!« Der flapsige Spruch klingt harmlos, aber er spiegelt trotzdem wider, dass das Geheimnis der Fruchtbarkeit und der weiblichen Sexualität für Männer unheimlich war und es immer noch ist, aufgeklärt wie wir sind. Für viele ist alles Weibliche bedrohlich, selbst wenn sie es nicht einmal bewusst wahrnehmen, und deshalb scheuen sie Intimität wie der Teufel das Weihwasser.
Das liegt auch daran, dass Männer von Frauen geboren werden und im Laufe der Zeit lernen müssen, sich vom Weib lichen abzugrenzen, um zum Mann zu werden. Als kleine Jungen sind sie meist von einer weiblichen Übermacht umgeben, noch immer sind die Väter viel zu selten anwesend. Je unsicherer ein Heranwachsender sich seiner Männlichkeit ist, desto eher wird er in der Gruppe mit Gleichaltrigen Kraft meierei üben. Indem er verächtlich über Mädchen spricht, versucht er sich stark zu fühlen. Emotionen sind selbstver ständlich tabu – sie zu zeigen wäre unmännlich und ein Zei chen von Schwäche.
Gleichzeitig zieht es die jungen Männer wahnsinnig zu diesen so andersartigen Wesen hin. Wobei das überreichlich produzierte Testosteron sie nicht unbedingt an Liebe denken lässt, sondern an Sex! Sex! Sex! Sie fühlen sich unwiderstehlich angelockt – und gleichzeitig bedroht.
Dieses Dilemma lösen Männer häufig, indem sie Sex haben, aber ohne sich wirklich auf die Partnerin einzulassen. Die Abgrenzung findet im Dichtmachen statt, im Abschneiden von Gefühlen. Es ist cool, Frauen am besten ein wenig zu verachten und »es ihnen richtig zu besorgen«. Man will sich im Sex beweisen, versucht ein Spitzen-Lover zu sein, lässt aber die Frau innerlich nicht an sich heran. Heraus kommt ein mechanischer Akt, der Versuch, sich gleichzeitig abzugrenzen und zu verbinden, sozusagen Gaspedal und Bremse mit voller Kraft zu treten.
Sex ohne Gefühle ist ein mieser Kompromiss, ein Beharren auf einer reduzierten Männlichkeit, die sich nicht einlassen will. Die nicht wirklich souverän, sondern kalt und seelenlos ist. Wenn es dabei bleibt, ist es kein Wunder, dass der Sex in einer Beziehung einschläft. Frauen wollen eine Erotik mit Gefühlen – und Männer in ihrem Innern ja auch …
Die ausgesperrten Emotionen sind nicht allein ein Män nerthema, treten aber bei ihnen häufiger in Erscheinung. Auch Frauen können sehr abgrenzend sein – vor allem, wenn sie unverarbeitete psychische Leiden mit sich herumtragen. Wo bei diese nicht immer aus der eigenen Geschichte her rühren müssen. Viele Frauen fühlen sich stark in Tragö dien ihrer Geschlechtsgenossinnen ein, empfinden kollektive Schmerzen. Gewalt und vor allem sexuelle Gewalt gegen Frauen war und ist immer noch
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