Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
entdeckt werden könnte. Heutzutage bleibe ich lieber überraschungsfrei in mir bekannten Räumen.
Ich habe eine Freundin, die an ihrem sehr schönen alten Gitterbett ganz demonstrativ Designerhandschellen hängen hat. Auf die Frage, ob sie die auch benutze, grinste sie frech: »Logisch.« Sie ist sechsundfünfzig.
Dieser eine jüngere feste Freund von mir, den ich so liebte, wollte immer mal, dass ich ihn »bestrafe« - was er
weiß Gott verdient hätte -, und ich band ihm hier und da mit einem Cowboyhalstuch spielerisch die Handgelenke zusammen. Das war’s auch schon. Ich fand es ganz gut, dass er mir hilflos ausgeliefert war, oder zumindest so tat. Das war ja der Sinn des Spiels.
Ich hatte am Telefon Hartwig gegenüber natürlich nichts von seinem »Hobby« erwähnt und wie ich dazu stand - er auch nicht. Leider kenne ich keine Sado-Bars, schlage aber eine ganz normale für einen Drink vor. Natürlich ist Sarah informiert, die unbedingt schützend zur Stelle sein will, bevor er sein Seil aus der Herrenhandtasche holt, nachdem er mich unauffällig mit Chloroform betäubt hat.
Doch Hartwig sieht bei unserem Date ein wenig wie ein verlorenes Blumenkind aus, wieder ganz in unschuldigem Weiß. Ich bin ganz in schwarz, trage einen Minirock (das geht noch bei mir, keine Angst!) und meine einzigen Stöckelschuhe, das ist mein gemäßigtes Domina-Outfit. Netzstrümpfe hätte ich zu viel gefunden.
Ihm gefällt’s, und er sagt, dass er froh ist, dass ich so aussehe, wie er es sich vorgestellt hat. Wir bestellen Drinks, und ich sehe, dass er eine sehr arrogante Art dem Kellner gegenüber hat. Da spielt einer den Herrenmenschen. Aber das ist nur Show, denn sofort wittere ich etwas, wahrscheinlich so, wie ein Raubtier es tut. Er ist Opfer, er liebt die Versklavung, das ist sein Ding.
Sein Gesicht hat unter der Sonnenbräune einen leidenden und unterwürfigen Ausdruck, die Augen sind beim genauen Hinsehen müde und gequält.
Der arme Junge würde sofort gefesselt und geknebelt werden und mit der Lederpeitsche eins übergezogen kriegen,
weil sein Gesicht darum bettelt, wenn er an die oder den Falschen gerät, denke ich.
Und diese Person bin nicht ich. Ich mag ihn nicht. Und er tut mir aufrichtig leid. Einen frechen, kernigen Typen hätte ich flirtig mit kleinen Bemerkungen provoziert, aber hier ist nur Bedrückung.
Ich lenke das Gespräch bewusst aufgeräumt auf Kunst und Ausstellungen und hoffe, er fragt mich nicht, warum ich ihn treffen wollte. Tut er auch nicht, denn dumm oder unsensibel ist er nicht.
Ich glaube, die Demarkationslinie zwischen Opfer und Täter ist gut und sichtbar abgesteckt für die, die sich im selben Terrain befinden. Ich bin hierbei keines von beiden, und das weiß er.
Und so ist der Abend kurz und ereignislos, und ich sollte lernen, meine Zeit nicht mit halbherzigen, deprimierenden Spielereien zu verplempern!
Sarah ist am meisten enttäuscht, hauptsächlich, weil sie nicht zum Einsatz kam.
Kein Mann im Warenkorb!
Ich glaube, ich muss ein paar Seelenausgrabungen machen und mir klar darüber werden, ob und was ich suche. Also bestimmt keinen Ehemann. Einer hat gereicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich so pervers bin, dass ich das ewig währende Eheglück heimlich nachholen will, jetzt, wo ich alt bin.
Ich hatte in letzter Zeit zwischendurch schon ein paarmal gedacht: Warum nur will ich einen Mann? Was fehlt mir denn wirklich, wenn überhaupt? Hat ein Mann tatsächlich mit der Vorstellung des Glücks zu tun? Dann wäre die Suche nach dem Mann eine Art Glückssuche, bei der der Mann zum Objekt und Glücksbringer hochstilisiert wird. Eine Rolle, der eigentlich niemand gerecht werden kann.
Und ist es nicht sowieso eine Lüge, die man uns von Kind an erzählt, dass ewige Liebe und Glück ein Geburtsrecht sind? Und dass irgendwo, dort im Weltgewusel, der Richtige wartet, der wie der Deckel auf unseren Topf passt? Denn nach dem »richtigen« Mann zu suchen ist wie nach der »perfekten« Kindheit zu suchen. Man wird sie beide nicht finden.
Wünsche und Vorstellungen sind eine Frage der Interpretation. Und sie unterliegen Strömungen, die das augenblickliche Leben spiegeln.
Was ich gern weglasse, ist folgender Fakt: Sich nach einem Mann umzuschauen heißt ja auch, sich wieder dem ganzen komplizierten Spektrum der Beziehungen der Geschlechter und der speziellen Paardynamik mit all ihren verführerischen und fatalen Fallstricken zu stellen.
Habe ich denn dazu noch Lust? Nicht
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