Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
imitieren, spritzen, cremen und quälen unsere sackenden Körper, um unsere Gene, aber besonders die Jugend um uns herum zum Narren zu halten. Als ob Yoga, positives Denken, Rote-Beete-Saft, Ginkotee, gefärbte Haare und Glücksformeln aus den Bestsellerlisten uns für immer dreißig sein ließen. Und beten heimlich, dass wir ganz schnell, schmerzfrei und unauffällig verschwinden, wenn wir alt, unbrauchbar und ungeliebt geworden sind.
Als natürliche und homogene Form der Entwicklung fehlt eigentlich dem Alter nichts - außer eben Jugend.
Und das können wir nicht hinnehmen.
Hoffentlich bald wieder da - Sex auf Urlaub
Nachdem ich Gerd abgeschmettert habe, denke ich über etwas genauso Wichtiges wie den Verlust der Jugend nach. Nämlich darüber, wieso ich sexuell so zurückhaltend geworden bin, was sicherlich auch mit diesem Verlust zu tun hat.
Ach was, sagen wir die Wahrheit, ich habe zwar mildes Interesse, aber nicht viel Lust. Der Spruch »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« bekommt hier eine ganz eigenwillige neue Note.
Ich scheine auf einige Männer noch sexy zu wirken, habe nichts zu verlieren, bin erfahren und selbstbewusst genug, um Sex selbst so mitzugestalten, dass ich auf meine Kosten komme, selbst wenn der Mann nicht der heißeste Lover unter der Sonne ist. Also, warum der Verlust der Lust?
Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob es mich sehr stört, denn eigentlich war Gerd nicht mein Typ. Dann wiederum kenne ich genug Frauen, die sich einfach jemanden sexy gedacht (oder getrunken) haben, weil sie einfach große Lust auf Sex hatten und weil ein Mann da war, willig und der Sache gewachsen (wortwörtlich).
»Du bist zu wählerisch«, höre ich meine Freundin Sarah sagen.
Ja, das bin ich wohl, und eigentlich finde ich das ziemlich angebracht für eine Zweiundsechzigjährige.
Weggelassen hat sie den Satz: »Sei froh, dass noch jemand an dir interessiert ist!«, und: »Kannst du dir das erlauben?«
Ich weiß es nicht. Was bedeutet das auch?
Doch nur die Akzeptanz einer Eingrenzung der Wahlmöglichkeit, also das Prinzip Dankbarkeit, zu dem Frauen leider neigen. Wo bleibt da der eigene Wert?
Mir fällt manchmal dieser wirklich platte Satz der L’Oréal-Werbung ein, den die Reichen, Gefärbten und Berühmten dieser Welt mit einem neckisch-emanzipatorischen Lachen von sich geben: »Weil ich es mir wert bin!«
Ich bin dankbar für vieles: meine Gesundheit, die Existenz von New York, die noch wenigen wunderbaren Orang-Utans, Champagner, die Beatles, Demokratie, Lippenstift, Parks und Budnikowski. Aber dankbar, dass ein mir bis dato unbekannter Mann sich für mich interessiert? Nein.
Ich verweigere mich also der Auflage - mehr als ich aufgrund von Männermangel und Alter sowieso muss -, nur deshalb Sex zu haben, weil er möglich wäre. Zu hohe Erwartungshaltung, die unter Garantie nicht erfüllt wird? Angst vor Enttäuschung? Oder ganz einfach hartnäckige Inflexibilität?
Wenn ich nicht genau das kriege, was ich will, dann will ich gar nichts, dieses Motto habe ich scheinbar bisher für mich nicht ändern können. Und es ist ein alter Klassiker. Jetzt mit Betonung auf »alt«.
Die Frage, die sich für alleinstehende Männer und Frauen ab sechzig also stellen könnte, wäre diese: Ist es schlimm, wenn man niemanden findet, mit dem man wirklich gern Sex hat, oder entscheidet man sich von vornherein, einfach auf Sex ganz zu verzichten?
Es gibt ganz viele, die Sex so aus ihrem Leben gestrichen haben wie Fritten, Sonne und unbequeme Schuhe. Und scheinbar
wird es nicht als großer Verlust empfunden. Denn dass hauptsächlich Sex das Barometer für eine schöne Beziehung ist und nicht Liebe, Wärme und Verständnis, bezweifelt man vielleicht nicht, wenn man jünger ist. Aber es gibt so etwas wie eine Vergeistigung und Transzendenz, die nicht aus Frustration geschieht, sondern aus Lebenserfahrung.
Und ehrlich, wer kann schon diese Energie, die Sexualität einmal hatte, Jahr um Jahr aufrechterhalten? Vielleicht schießt das Interesse an Sex ab siebzig wieder etwas nach oben, weil sich die letzten Auseinandersetzungen mit dem Selbst friedlich eingependelt haben und nun Genuss wieder vornean steht?
Bisher geben jedenfalls die Frauen zwischen fünfzig und sechzig oft an, so überhaupt keine Lust mehr auf Sex zu haben. Und wie so oft bei kniffligen Fragen, haben wissenschaftliche Studien einige Antworten parat. Und die haben oft mit der Natur zu tun. Ab fünfzig sinkt jeder Spiegel,
Weitere Kostenlose Bücher