Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
hätte, und ich warte auf das »Aber-da-könnte-man-etwas-Machen«, als Tatjana kommt.
Sie ist hübsch, hat garantiert eine operierte Nase und trägt Stöckelschuhe und eine sehr, sehr enge weiße Jeans, die sagt: »Hey, guckt her, ich passe, denn sie isst nur einmal die Woche!« (Die Familie hat eine Obsession mit der Farbe Weiß, was ich gleich als Angst vor schmutzigen schwarzen Gedanken interpretiere.) Sie setzt sich steif auf seine Sessellehne, taxiert mich wie ein Objekt, das gegen ihren Willen ins Haus gelangt ist - und mag mich nicht. Das spüre ich.
Gerd ist begeistert von seiner Tochter, sie ist sein Ein und Alles. Auch das spüre ich, finde aber, dass Vater und Tochter etwas sehr eng ineinander verstrickt sind. Er nennt sie Spatzl und sie ihn Papilein, was er ja ist, aber es hört sich inzestuös an. Überhaupt fühle ich mich wie in einem Fünfzigerjahre-Film, in dem es unter der geschmackvollen Bürgerlichkeit vor Dekadenz brodelt.
Als sie wieder raus ist, erklärt er, dass sie auf unbestimmte Zeit bei ihm wohnen bleiben würde. Er möchte sie gern um sich haben, denn sie sei »durch viel durch« und »hatte mal ein kleines Gewichtsproblem«.
Hatte?
»Hier fehlt ein Hund«, sage ich launig, um das Thema zu wechseln, »so viel Platz, dazu ein Garten, perfekt.« Ich liebe
Hunde und bin todtraurig, dass in meinem Gebäude keine Tiere erlaubt sind.
»Tatjana hat Angst vor Hunden«, sagt er, seine schlanken Hände streichen imaginäre Staubkörner vom Tisch. Angst vor Hunden? Wie kann so was sein, es sei denn, man ist von einem Dobermann fast einmal zerfleischt worden.
»Dabei ist meine Exfrau Tierärztin«, fügt er hinzu.
Gerade will ich ihn über seine Exfrau ausfragen, als ich merke, dass es mich absolut und hundertprozentig nicht interessiert.
Warum sitze ich in einem riesigen weißen Wohnzimmer bei Stuttgart mit einem Schönheitschirurgen, der eine möglicherweise schwer gestörte Tochter hat, die immer bei Papilein bleiben wird?
Der Abend ist eigentlich nett, wir gehen in ein teures Restaurant, nur dann fängt leider eine Unterhaltung an, von mir eingeleitet - über Schönheit und Alter.
Ich stehe dem Verschönerungswahn eher kritisch gegenüber und sage das vielleicht eine Spur zu deutlich. Er hält mir einen Vortrag darüber, wie sehr all diese Dinge zum Glück einer Frau dazugehören. Es hört sich an, als sei er ein altruistischer und medaillenwürdiger Menschenfreund, dem auch Mutter Teresa anerkennend über den Kopf gestrichen hätte. Ein Ritter der edlen Taten, ein Robin Hood für die Runzelbrigade.
Aber was wirklich dahintersteckt, ist eigentlich die pure, hässliche Altersdiskriminierung. Und die trifft ja in der Regel eher Frauen als Männer. Männer werden auch alt, kriegen Falten und graue Haare, einen dicken Bauch und Rettungsringe um die Taille (gern auch beschönigend love handles genannt), Säcke unter den Augen und Schlupflider oben drüber, Altersflecken an Armen und Händen. Aber sie glauben
eher, dass es sich hierbei um kleine bezaubernde Gütesiegel handelt, nicht um den natürlichen Alterungsprozess.
Andererseits ist das Interesse an Facelifts, Botox, teuren Anti-Aging-Cremes und besonders am Haarefärben bei Männern stark gestiegen. Der alte Kosmetikmuffel mit der einfachen Dose Allzweckcreme und einem selten benutzten Aftershave in der hintersten Ecke des Badezimmerschränkchens hat sich zum eitlen Konsumenten entwickelt, der duftet und rubbelt, peelt und nährt, dass es eine Freude ist. Und stets umgeben von einer Wolke von männlich-herbem Eau de Cologne auftaucht. So einer ist mein Doktor Beau.
Ich will ihn gerade fragen, wie viel er an sich herumgemacht hat, als sein Handy klingelt. Spatzl ist dran, wer sonst. Sie wollte zum Dessert dazukommen, aber sie hat Migräne.
Ich habe sowieso nur eine Nacht eingeplant und überlege schnell, wie attraktiv ich ihn eigentlich finde. Er hat ein sehr anziehendes Lachen, sogar mit Lachfalten, die Figur ist auch gut, kaum ein Bauch. Ich gebe es ungern zu, aber da ich gesehen habe, wie schön er wohnt und dass er viel Geld haben muss: Geld macht sexy. Sicherlich nichts Neues für echte Goldmaries, aber für mich, die zu viel Geld oft für anrüchig hält, immer wieder eine irritierende Entdeckung.
Er scheint mich auch zu mögen, denn er nimmt meine Hand, zieht sie über den Tisch und küsst sie. Wow! Meine Gedanken entwerfen blitzschnell eine Szene, in der er ins Zimmer kommt und ich entweder im Bett liege und frivol
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