Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
geschäftsmäßig an. Man wird gehandelt wie eine wertvolle Aktie. Der Meistbietende gewinnt. Inzwischen sagt man auch »Singlebörse«, und die angebotenen Personen sind nicht wirklich ganz so wertvoll, wie gern getan wird, denn es gibt schrecklich viele davon.
Die gute Sache ist, dass man mehr Kontrolle über die ganze Angelegenheit hat als früher. Es ist wie bei einem Kaufvertrag. Da wird Ware angeboten, die man angucken und, wenn sie einem gut gefällt, zum Anprobieren bestellen kann, obwohl man nicht weiß, ob sie auch wirklich passt.
Also, die Katze sitzt zwar noch im Sack, guckt aber neugierig heraus und miaut.
Dass Frauen aktiv und öffentlich Männer suchen können, ohne sich lächerlich zu machen oder als Nutte abgestempelt zu werden, ist an sich schon eine Revolution.
Meine Mutter, die sich mit Ende fünfzig von meinem Vater trennte, blieb ab Mitte sechzig allein. Ein Jammer, denn sie war hübsch, herzlich und häuslich. Zwar ehegeschädigt, wie so viele Frauen ihrer Generation, die im Dasein als Ehefrau, Mutter und Haushaltssklavin ihre Bestimmung vermuteten, doch hätte ein charmanter, reicher Mann von Welt ihrem späteren Leben eine sehr willkommene neue Dimension gegeben.
Aber Frauen gaben in den Siebzigerjahren eher keine Anzeigen auf, wenn sie keine verzweifelten durchgeknallten Witwen aus der Kleinstadt waren. Es gehörte sich nicht, es war ein Ab- und Ausstieg aus der zivilisierten Welt der Frauen.
Nun sind wir alle schon seit einigen Jahrzehnten emanzipiert, deshalb muss jede Frau selber ihren Mann, ihr Sexleben, ihre Unterhaltung, ihren Lebenssinn und ihr Glück suchen. Auch die Frauen und Männer über sechzig. Oder besonders die.
Der Greis ist heiß
Es ist natürlich erstaunlich , was aus dem Thema Älterwerden heute geworden ist, wie locker und souverän, zumindest nach außen hin, man damit umgeht. Glaubt man den Babyboomern, der zahlenmäßig größten Generation überall in der westlichen Welt, dann wird die unmittelbare Nachkriegsgeneration überhaupt nicht alt! Ein Wunder? Nein, geschickte Öffentlichkeitsarbeit. Ganz einfach tolle neue Begriffe erfinden, die von den traurigen Fakten ablenken, dass wir bessere Tage gesehen haben. Silver Surfer statt Schlurf-Omi, Best Agers statt abgetakelte Alte. Und dazu haben Medien einfach die Sechzig als die neue Vierzig ausgerufen.
Der Greis ist heiß! Sie dürfen alle auch noch erotische Fantasien haben, denn das einstige Tabuthema »Sex mit sechzig« ist längst aufgebrochen worden. Ältere Menschen sind vitaler denn je, immer noch gierig auf Leben und Luxus und scheinbar auch auf Sex.
Wer einmal von Oswald Kolle gehört und gelernt hat, in den Siebzigerjahren sexuell aktiv war, der hat sein Sexleben so lieb gewonnen wie die »Trekkies« Mr. Spock und wird nicht mit fünfzig, sechzig oder siebzig die Bettdecke unters Kinn ziehen und die Knie fest zusammendrücken.
Ich erinnere mich an meine Großeltern, beide vor 1900 geboren, und wie alt sie schon mit fünfzig waren. Meine schlanke hübsche Großmutter hatte sich längst in ihr Matronenleben
ergeben, als sie Anfang vierzig war. Mein Großvater, ein strenger Patriarch mit vollem weißem Haar und einigen Launen, wirkte nicht wie ein wilder Hengst, und meine Großmutter wurde niemals beobachtet, wie sie sich auf seinen Schoß setzte, ihn mal spontan drückte oder küsste. Ich habe sie nicht einmal Händchen halten gesehen. Niemals! Paare wirkten wie zwei Figuren, die man deshalb zusammengestellt hatte, weil man sonst nicht so recht wusste, was denn bitte einzelne Männer oder Frauen ohne den anderen tun sollten. Wenn man die viktorianischen Szenen einer properen Ehe mit den heutigen Forderungen nach persönlicher Liebeserfüllung mit allen Schikanen vergleicht - also, dann hat die sexuelle Revolution schon stattgefunden. Schade nur, dass die Galanterie mit ihr zum Teil draufgegangen ist. Ich vermisse manchmal so etwas ansprechend Altmodisches, wie zum Beispiel das Taschentuch fallen zu lassen. Was sowieso problematisch ist. Keiner hat mehr welche aus feinem Batist. Und alles, was von Frauen fallen gelassen wird - Tasche, Schlüssel, Sonnenbrille, Lipgloss, Handschuhe, Handy -, wird entweder geklaut, ignoriert, mit dem Fuß zur Seite geschoben oder mit einem burschikosen Schultertippen: »Sie habe da was fallen lassen« quittiert.
Bliebe nur noch die Möglichkeit, einen BH oder Tanga fallen zu lassen, aber das wäre zu sehr amerikanische Fünfzigerjahre-Komödie. Davon abgesehen, sind
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