SGK276 - Dr X - Das Gift des Vergessens
hellhörig sein, um den Spott in der Stimme der Sprecherin zu
vernehmen.
Bonds Blick irrte zu Priscilla. »Sie ist nicht
mehr die, die sie mal gewesen ist«, presste er
hervor. »Sie erkennt mich nicht mehr. Ich bin ein Fremder für sie. ..«
»Sie hat in der kurzen Zeit ihrer Anwesenheit
gelernt, Wichtiges zu behalten und Unwichtiges zu vergessen .. . sie fühlte sich sehr wohl, empfindet keine Angst, hat keine Sorgen - und lebt
doch! Ist das nicht ein beneidenswerter Zustand ?«
»Es ist das Dasein eines Roboters !« Bond starrte die Frau an, die seit drei Jahren seine
Begleiterin war, die ihm überall hin folgte, ohne die er nichts mehr
unternommen hatte. Er dachte an die unvergesslichen Stunden, die Lippen, die ihn geküsst , die Hände, die
ihn liebkost hatten . . .
Priscilla Young war ein quicklebendiges, heiteres
Menschenkind, unkompliziert und frisch. Nun wirkte sie ernst und - fremd.
»Was haben Sie mit uns vor ?« schoss Oliver Bond unvermittelt seine Frage ab.
»Ich möchte, dass ihr bald zurückkehrt .«
»Das ist eine hervorragende Idee. Ich mache sofort
davon Gebrauch«, erwiderte Bond in einem Anflug von Galgenhumor, »Sie müssten mir nur diese hässlichen Manschetten abnehmen. Ich hab' zu Hause viel hübschere ...«
»Sie werden gehen, sobald die Dunkelheit
anbricht .«
»Wie
spät ist es denn jetzt ??«
»'Draußen' - gerade Mittag. Die Sonne steht
hoch am Himmel... aber Sie werden diese Sonne nicht mehr sehen. Niemals sehen !«
Die
Drohung war unüberhörbar.
» . .. von nun an wird die Nacht Ihr Metier
sein. Die Stadt, aus der Sie kommen, wird nur noch nachts leben - allerdings
auf eine Art, wie ich es für richtig halte. Andere - wird es von Stund ' an nicht mehr geben. Weil sie alle das Gift des
Vergessens trinken werden .«
Bonds Augen verengten sich. Da sprach eine
Wahnsinnige zu ihm! Die Worte hatten überhaupt keinen Bezug zu dem, was hier
vorging, was ihn beschäftigte. Oder doch?
»Gib' ihm den Becher, Priscilla, damit er
begreift...«
Die hübsche Priscilla Young kam von der Seite
her auf ihn zu.
»Priscilla! Erkennst du mich denn nicht ?«
»öffne deinen Mund«, sagte sie einfach zu ihm,
ohne auf seine Worte einzugehen. »Trink !«
Er drehte den Kopf weg. »Ihr werdet es nicht
schaffen, mir auch nur einen einzigen Tropfen von diesem Zeug einzuträufeln! «
Dr. X lachte leise. »Alles, was ich will,
werde ich erreichen. Sie werden sehr schnell erkennen, wie sehr Sie irren...«
Noch während sie sprach, schnippte sie mit den
Fingern. Aus dem dämmrigen Hintergrund des gewaltigen Labors trat eine Gestalt.
Leise, sich bedrohlich anhörende Schritte
näherten sich.
Der Gefesselte sah den anderen auf sich
zukommen. Bonds Herzschlag stockte.
Der Ankömmling sah grausam und brutal aus.
Seine Augen blickte kalt und unpersönlich.
Der Fremde war massig und groß. Bond erblickte
seine Hände. Eisiger Schrecken durchzuckte ihn. Genau
in Höhe der Armgelenke liefen zwei rote, breite Narben um den Arm. Es sah aus,
als wären diese Hände angenäht worden!
»Er will nicht freiwillig trinken«, Thomas . .
. helf ein bisschen nach«,
sagte Dr. X da.
Dr. X' Faktotum ließ sich das nicht zweimal
sagen.
Seine grausamen Hände packten zu, umfassten Bonds Kopf wie zwei Schraubzwingen und hielten
ihn fest.
Oliver Bond versuchte vergebens, seinen Kopf
in eine andere Richtung zu drehen.
»Ihr werdet es nicht schaffen !« brüllte er. »Ich schwör's euch
. . .«
Blitzschnell schoben sich jedoch die dicken
Finger seines Widersachers in seinen Mund und hielten ihn offen. Thomas war so
stark, dass Bond es nicht schaffte, seinen Mund
wieder zu schließen.
Alles
andere war ein Kinderspiel.
Es bereitete der willigen Priscilla Young
überhaupt keine Mühe, Oliver Bond das Gift des Vergessens einzuflößen. Dem
jungen Mann blieb nichts anderes übrig, als zu schlucken. Kühl rann das
eigenartige Nass seine Kehle hinab.
Dann
war das Gefäß leer.
Priscilla zog ihre Hand zurück. Auch 'Thomas'
lockerte seinen Griff. Bond tobte wie von Sinnen. Er spuckte, schrie und biss an seinen Fesseln. Aber alles half nichts! Das Gift
befand sich in seinem Körper, die Fesseln saßen zu fest .. .
Das Getränk war völlig geschmacklos. Wie
Leitungswasser.
»Das Gift des Vergessens wird bald überall
sein«, vernahm er die Stimme der geheimnisvollen, maskierten Frau wie aus
weiter Ferne. Das Gift wirkte schon! »Wer mit ihm in Berührung kommt, ist ein
Verlorener. Er wird eintauchen ins Jenseits - und
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