SGK306 - Dr. Tschang Fu - Der Unheimliche kehrt zurück
sich.
Morna legte ihm die Hand auf die fieberheiße Stirn. Dann pflückte
sie einige der kühlen feuchten Blätter und bedeckte die obere Hälfte seines
Gesichts damit, um ihm dadurch ein wenig Erleichterung zu verschaffen.
Der Fremde hörte auf zu phantasieren, wurde einen Moment lang
ruhiger.
»Wer sind Sie ?« Morna gab ihrer Stimme
einen ruhigen festen Klang.
Ein erstaunter Ausdruck lag in dem fremden Antlitz. Der
Angesprochene reagierte und runzelte die Stirn. Dabei verrutschten die beiden
obersten Blätter.
»To ... To ... shio ...« Seine Stimme war nur ein Hauch. Morna
Ulbrandson hatte das Gefühl, von einem Dolch durchbohrt zu werden.
»Toshia Kawasako?« Ihr Herz schlug schneller, als sie diesen Namen
aussprach.
»J .. .a ...«, klang es matt zurück.
Kawasako schien einen klaren Moment zu haben. Er schlug mit
äußerster Kraftanstrengung seine Augen auf. Mit glanzloser Pupille blickte er
die Frau an. Morna bezweifelte, daß er sie wahrnahm.
Sie nannte ihren Namen, und ein flüchtiger Schemen huschte über sein Gesicht. Er erinnerte sich, brachte aber im einzelnen
nicht mehr alles zusammen.
»Fliehen Sie ...«, stieß er hervor. »Sie dürfen nicht in diesem
Wald ... bleiben ... Er ist unterwegs ... auf der Suche nach Opfern. Sein
Hunger nach Leben ... ist unersättlich ... und ich habe mitgeholfen, dieses
Ungetüm zu zeugen ... die Atmosphäre im Haus ... Motas ... ist vergiftet... der
Geist des Bösen ist in ihm... Mota war von Grund auf... schlecht... er hat die
Spur zu Tschang Fu... gefunden... ich habe alle Szenen miterlebt... Nacht für
Nacht... in diesen Stunden - und manchmal auch außerhalb von ihnen - war ich
nicht ich selbst, ein anderer hatte von mir Besitz ergriffen... ich kann mich
erinnern ... die Bilder laufen vor mir ab... wie in einem Traum... er wollte
mich ganz für sich gewinnen... glaubte, es auch geschafft zu haben... mein
Wahnsinn... mein gespaltenes Bewußtsein ... ging nicht tief genug... da ließ er
mich schließlich doch fallen ... der grausame Dr. Tschang Fu ... er hätte mich
auf der Stelle töten können, wie die anderen ... er tötet sie wie ein Vampir
sein Opfer... er saugt sie aus ... er ist kein Mensch mehr, war es nie. Er...
ist ein Insekt... statt einer Zunge sitzt ein großer... Saugrüssel in seinem
Rachen ... und angefangen hat alles in Motas Haus ...« Hier machte er einen
Gedankensprung. »Er hat das Insekt gefunden ... andere davon gezogen und
erkannt... daß sie aus dem Körper Tschang Fus ... kamen...« Hier verlor er
wieder den Faden und stöhnte, kalter Schweiß brach ihm aus. »Da hat er mich
hinausgestoßen in den Wald«, nahm er an anderer Stelle den Faden wieder auf.
»Er wollte meinen Leidensweg verlängern... weil ich nicht freiwillig kam, nicht
der Bruderschaft beitrat, die ganz für ihn da ist... und dann teil hat an
seiner Herrschaft ... die Pyramide ... sie ist der Schlüssel zu seiner Macht...
die Buchstaben ... es sind genau elf... in der richtigen Reihenfolge ...«
Sein Gesicht verzerrte sich, seine Stimme war zuletzt ganz leise
geworden.
Morna mußte sich tief herabbeugen, um sie überhaupt noch zu
verstehen.
»Gehen Sie... bleiben Sie nicht hier... suchen Sie einen Ausweg
... Warum sind Sie gekommen ... wie sind Sie hierhergekommen ?« Plötzlich schien ihm zu dämmern, daß etwas nicht stimmen konnte, daß er etwas
nicht erfaßt hatte.
Er konnte nicht mehr darüber sprechen. Die Frage war seine letzte.
Sein Körper streckte sich. Er starb vor Schwäche. Dann sah Morna
auch, wie diese Schwäche zustandegekommen war.
Zwischen den Schenkeln und an der Hüfte hatte er mehrere große
Wunden, die zu starkem Blutverlust führten. Sie waren durch Verletzungen und
die Bisse von Mardern und wilden Hunden hervorgerufen worden, die ihn während
seines Irrwegs durch den >Wald des Todes< angefallen hatten. Die wilden
Tiere merkten, wenn ein Opfer am Ende war...
Morna verlor keine Zeit. Sie war kräftemäßig nicht in der Lage,
eine Grube auszuheben und hatte auch kein Werkzeug dafür. Sie suchte Holz und
Laub zusammen, deckte den Toten, so gut es ging, ab, um ihn vor den wilden
Tieren des Waldes zu schützen. Aber sie wußte nur zu gut, daß dies eine
Illusion war. Die Marder, Füchse und wilden Hunde würden auftauchen, sobald sie
diesen Ort verließ ... sie lauerten im Dickicht und...
»Die Arbeit ist umsonst«, sagte da eine kalte, unpersönliche
Stimme aus dem undurchdringlichen Dickicht. Leises, widerliches Lachen
erscholl.
X-GIRL-C
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