Shadow Falls Camp - Geboren um Mitternacht: Band 1 (German Edition)
geduldig.«
Dereks Kuss und auch eigentlich schon die Ereignisse davor hatten Kylie dabei geholfen, nicht über das Treffen mit ihrer Mutter nachzudenken – darüber, ob sie etwas sagen sollte über ihren Dad und was sie gesehen hatte. Dann war da noch die andere Frage, die sie stellen musste. Die Frage, gegen die sich alles in Kylie sträubte.
Die Frage, über die Kylie nicht einmal nachdenken wollte.
Aber jetzt, wo sie im Speisesaal stand und auf ihre Mutter wartete, fragte sie sich, ob sie nicht doch besser darüber nachgedacht hätte. Denn es gab Dinge, die man nicht einfach unbedacht sagen und fragen sollte.
Ihre Mutter kam herein, und Kylie sah, wie sie den überfüllten Raum mit den Augen nach ihr absuchte. Kylie nahm sich den Moment, um ihre Mutter zu betrachten. Ihre braunen Haare, ihre braunen Augen. Kylie sah ihr gar nicht ähnlich. Bis auf ihre Nase. Sie hatte auf jeden Fall die Stupsnase ihrer Mutter geerbt.
»Ich hätte dich fast nicht gefunden«, meinte ihre Mutter, als sie sich an einem der Tische niederließen. Ihre Mutter saß kaum auf dem Stuhl, da fragte sie schon: »Du hast nicht genug geschlafen in letzter Zeit, Kylie, stimmt’s?«
War das so ein komischer Mutterradar, oder warum wussten Mütter solche Sachen immer gleich? »Ich hab nur schlecht geschlafen«, log Kylie.
Ihre Mutter lehnte sich über den Tisch und flüsterte. »Du hast doch nicht wieder diese Träume, oder?«
Kylie schüttelte den Kopf.
Die Augen ihrer Mutter wurden schmal, und sie schaute sie mit diesem Lüg-mich-nicht-an-Blick an.
»Ich schwöre es.«
»Okay«, sagte sie.
»Hallo zusammen«, sagte Holiday vorn im Saal. »Ich weiß, normalerweise spreche ich nicht zu Ihnen an den Besuchstagen, aber ich habe ein paar Neuigkeiten, über die ich Sie gern informieren möchte. Zuerst einmal muss ich Ihnen leider mitteilen, dass meine Kollegin, Sky Peacemaker, aus familiären Gründen eine Auszeit nehmen muss.«
Das war mal eine gute Erklärung, ohne lügen zu müssen.
Holiday fuhr fort: »Wir suchen bereits nach einem Nachfolger. Bis dahin haben wir eine vorübergehende – nur vorübergehende – Lösung. Ich will Ihnen gern MrBurnett James vorstellen. Er wurde uns wärmstens empfohlen.«
Kylie fragte sich, ob Holiday wusste, wie viel das »nur vorübergehend« verraten hatte? Die Tatsache, dass sie jetzt mit Burnett zusammenarbeiten musste, war ihr ganz offensichtlich zuwider.
»Meine zweite Neuigkeit …« Nun erzählte Holiday den Eltern davon, dass das Camp jetzt ein Internat werden würde.
Kylie beobachtete ihre Mutter, während Holiday redete. Sie erwartete fast von ihr, dass sie aufstand und applaudierte. Endlich frei, endlich frei.
Seltsamerweise war ihre Mutter sehr gut in der Lage, ihre Aufregung zu verbergen. Kylie spürte, wie ihr schlechtes Gewissen sich meldete. Wie unfair war es von ihr, dass sie gern auf das Internat wollte und trotzdem sauer auf ihre Mutter war, wenn sie dasselbe wollte.
Nachdem Holiday geendet hatte, schaute Kylie ihre Mutter an und fragte: »Hast du Lust auf einen Spaziergang? Da gibt es ein paar schöne Pfade im Wald.«
Ihre Mutter schaute auf ihre Füße. »Klar, ich hab ja zum Glück Sportschuhe an.«
Kylie beschloss, mit ihrer Mutter zu einem Platz am Fluss zu gehen, über einen nicht ganz so zugewucherten Pfad. Dort war es zwar nicht ganz so schön wie an dem Ort, wo sie mit Derek gewesen war, aber auch nicht schlecht. Sie gingen zu ihrer Hütte, um eine Decke zum Sitzen zu holen.
Ihre Mutter ging durch die Räume. »Das ist zwar etwas karg eingerichtet, aber ganz nett.«
Socke junior kam aus ihrem Schlafzimmer gesaust und ging auf die Schnürsenkel ihrer Mutter los. »Oh, der ist ja süß.«
Ihre Mutter nahm Socke junior hoch und hielt ihn sich vors Gesicht. »Wessen Kätzchen ist das denn?«
»Ähm, meins.«
Ihre Mutter sah überrascht aus. »Okay – meinst du nicht, du hättest das mit mir absprechen sollen?«
»Ich … ja, ich denke, das hätte ich tun sollen«, stotterte Kylie.
Ihre Mutter betrachtete das Kätzchen eingehend. »Weißt du, woran mich diese Katze erinnert?«
»An Socke?«, sagte Kylie.
»Ja. Erinnerst du dich an ihn? Wir bekamen ihn, als ich mit dir schwanger war. Dein Vater hat ihn mir an dem Tag geschenkt, als wir den ersten Ultraschall hatten. Er war so aufgeregt, er …« Ihre Mutter brach ab und blinzelte, als wollte sie die Erinnerungen verscheuchen. »Ja, ein süßes Kätzchen.« Sie setzte Socke junior wieder auf den Boden,
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