Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)
scharlachrote und dunkelblaue Seidenpolsterungen. Er schloss die Tür hinter ihnen.
Er biss sich mit perfekten, weißen Zähnen auf die Unterlippe und sog ihren Anblick förmlich ein, und dazu den Anblick des maßgeschneiderten, golddurchwirkten Gewands, das sie trug. »Wunderschön. Ich habe das Kostüm eigens für Sie ausgewählt. Nicht weil ich will, dass Sie Ihre Mutter sind, Liebling, sondern weil ich denke, dass Sie eine umwerfende Königin von eigenen Gnaden abgeben würden.«
»Was sagen Sie da?«
»Ich habe diesem Rabenkrieger gesagt, ich spürte, dass zwischen Ihnen und mir eine besondere Anziehungskraft herrsche. So ist es doch, oder?«
Sie senkte das Kinn, schaute aber nicht weg. »Sie haben mich in jener Nacht im Garten zurückgelassen, wo ich auf Sie gewartet habe. Sie sagten, Sie würden mir ein Geschenk bringen.«
Er schüttelte den Kopf. »Sie sind mit diesem Rabenkrieger fortgegangen.«
»Er hat mich dazu gezwungen. Als ich zurückkehrte, waren Sie nicht mehr da. Ich habe lange gebraucht, um Sie wiederzufinden.«
»Warum wollten Sie mich finden?«
»Wissen Sie das nicht?«
»Sagen Sie es mir.«
»Ich bin wegen meiner Samtschatulle gekommen.«
»Samtschatulle?«, erklang eine Stimme.
Tantalos zog Selene an seine Seite.
Pandora hatte hinter ihnen den Raum betreten, schritt auf sie zu und schüttelte die geballte Faust. »Diese Schatulle gehört mir.«
»Jetzt nicht mehr«, konterte er.
»Ich kann alles sein, was du brauchst«, rief sie aus. Sie warf Selene einen scharfen Blick zu. »Wenn du sie nur mir übergeben würdest. Ihr unsterblicher Körper könnte alles liefern, was ich brauche, um deine Söhne zu gebären …«
»Warum sollte ich das wollen?«, rief er boshaft. »Warum sollte ich eins deiner unnatürlichen Experimente wollen, um die Geburt meines Kindes zu ermöglichen? Ich bin ein
richtiger
Mann. Ich habe dir
immer
gesagt, dass ich eine richtige Frau will.«
»Aber ich kann eine richtige Frau sein«, schrie sie.
Er trat schnell zu ihr und ergriff ihren Arm. Mit einem Knurren zerrte er sie zu Tür und stieß sie in die Arme der Wachposten.
Dann schloss er die Tür hinter sich. »Das hat
gut
getan. Ich habe seit Jahrhunderten versucht, mich von diesem knarrenden Stück Müll zu befreien. Sie dagegen …«, sagte er, und in seinen Augen brannte sinnliche Hitze. »Kommen Sie mit mir.«
Er drückte gegen ein Wandpaneel und führte sie in die Dunkelheit. Zuerst eine Treppe hinunter und dann in eine Abfolge von Tunneln.
Sie gingen eine Ewigkeit, wie es schien, durchschritten ein labyrinthisches Reich, das wie geschaffen war als unterirdischer Unterschlupf für Übeltäter. Während sie unter das Herrenhaus stiegen, immer tiefer unter die Erdoberfläche, wurde die Luft kälter. Endlich kamen sie an die glatte Steinmauer eines alten, römischen Aquädukts. Das Geräusch von fließendem Wasser erfüllte den Tunnel, gespeist von einem der unterirdischen Flüsse Londons.
»Nur noch ein klein wenig weiter«, versprach er und beobachtete ihr Gesicht, um ihre Reaktion abzuschätzen.
19
Der Tunnel wurde breiter. Selene verkniff sich ein Keuchen, als sie den ersten Blick auf Tantalos’ unterirdischen Palast warf. Offensichtlich war das Gebäude im Laufe der Zeit erschaffen worden, vielleicht sogar im Laufe von Jahrhunderten. Die Wände glitzerten wie Obsidian, aber als sie näher kam, vermutete sie, dass die Oberfläche mit vulkanischem Sand bedeckt war und von unten her erbaut … vom Tartaros. Es gab keine Fenster, nur zwei große Türen, bewacht von drei knurrenden Doggen. Die Hunde wichen zurück, als Tantalos vorbeiging.
Im Inneren waren die Räume höhlenartig, die Wände bedeckt mit Gemälden und Wandteppichen, die die sieben Todsünden und Szenen aus der Mythologie zeigten. Selene erkannte weitere Artisten aus dem Zirkus, aber hier waren noch Dutzende andere, durchmischt mit genauso vielen Speichelleckern. Sie bevölkerten ungezählte Räume, spielten Spiele, rangen und lümmelten sich auf dunklen Möbeln. Der hellrote Nebel von Pandoras Weihrauch hing in der Luft.
Obwohl ein Lächeln seine Lippen umspielte, stand noch immer Argwohn in Tantalos’ Augen. Er bot ihr die Hand, und sie nahm sie. Dann führte er sie vorbei an einem blickdichten Wandschirm. Ein riesiger Kronleuchter erhellte ein gewaltiges Bett auf einem erhöhten Podest. Er führte sie jedoch zu einem großen, mit einem Tuch bedeckten Tisch. Aus einer goldenen Truhe, die dort stand, holte er eine große, rote
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