Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)
und niemals irgendein Unbehagen verspürt, nicht einmal, wenn sie auf der Jagd nach irgendeiner abscheulichen Seele von Dach zu Dach gesprungen war. Elena hatte sie gewarnt, dass sie – von deutlich verminderter körperlicher Ausdauer ganz abgesehen – vielleicht auch nicht mehr so geschickt sein würde wie zuvor.
Doch sie war fest entschlossen herauszufinden, welches Ziel Rourke jeden Tag auf seiner mysteriösen Pilgerreise ansteuerte. Sie war schon immer besonders neugierig gewesen und unleidlich, wenn sie etwas nicht herausbekam. Entschlossen richtete sie sich auf und schüttelte ihren Knöchel, um den Schmerz zu vertreiben. An diesem Punkt gabelte sich der Pfad und zwang sie, entweder einen Weg einen schmalen Abhang hinunter zu wählen oder einen noch schmaleren Pfad, der sie höher hinaufführen würde.
Selbst im Vollbesitz ihrer Kräfte hätte sie Mühe gehabt, einen anderen Schattenwächter zu verfolgen. Ihre Fähigkeiten galten der Verfolgung Sterblicher und, wichtiger noch, gefährlich transzendierender Seelen. Also musste sie einzig ihren Instinkten folgen, und in diesem Fall sagte ihr Instinkt ihr, dass sie den aufwärts führenden Pfad wählen musste. Vielleicht irrte sie sich, aber Rourke machte den Eindruck, als sei er zu dem Plateau unterwegs, das sie von seinem Fenster aus entdeckt hatte.
Während sie höher hinaufstieg, zerrte der Wind an ihrem Haar, bis ihr morgendliches Werk schließlich zerstört war und ihre langen Locken im Wind flatterten. Mit einem Finger strich sie sich eine dicke Locke aus den Augen. Ihre Röcke bauschten sich und drückten gegen ihre Beine. Es war beinahe, als protestiere der Wind gegen ihre Verfolgung und dränge sie mit wortlosen Ermahnungen rückwärts, seitwärts, vorwärts – überall hin, nur nicht geradeaus zu Rourke.
Früher wäre sie unerschütterlich vorangeschritten, unbeeindruckt von den Kräften der Natur, aber gemäß Elenas Warnung war ihr klar, dass die Impfung sie verletzlicher gemacht hatte. Empfindlicher und menschlicher.
Vor ihr wurde der Hang steiler, und frustrierenderweise endete ihr Pfad vor einer Wand aus unebenem Stein.
Im selben Moment erblickte sie Rourke auf dem abwärts führenden Weg. Anscheinend konnte sie ihren Instinkten nicht mehr vertrauen.
Das Plateau erhob sich hoch über seinem Kopf, eingekerbt in die Seite des Hügels. Von hier aus konnte man gedämpft die Brandung des Ozeans hören, und die Luft schmeckte salzig. Sie wollte zum Mauerrand klettern, um einen besseren Ausblick zu bekommen. Direkt vor ihr schienen Stufen in den Stein gehauen zu sein. Ein harter Stoß traf sie zwischen den Schulterblättern.
Eine Windböe …?
Sie fiel nach vorn, wedelte mit den Armen, grub die Hacken in den Boden und stolperte dann zurück. Einen Augenblick lang gelang es ihr, sich zu orientieren, aber sie fand keinen Halt mehr und rutschte ab.
Ihre Röcke wirbelten hoch und wie grüner Schaum um ihren Kopf herum. Sie stolperte, rollte hangabwärts und traf mit Rücken und Schultern am Boden auf.
Autsch.
Halb benommen stützte sie sich auf einen Ellbogen. Ihr Blick fiel auf die Stiefel eines Mannes, der auf sie zukam.
Sie schaute auf und erwartete, Rourkes aufgebrachtes Antlitz zu erblicken, aber stattdessen sah sie einen fremden Männerkörper … unbekannte Kleidung … blondes Haar … Und ein attraktives Gesicht.
Nicht Rourke.
»Sind Sie verletzt?« Das verhaltene Lächeln des Mannes und die zusammengezogenen Brauen übermittelten sowohl Erheiterung über das, was er gerade mit angesehen hatte, als auch Sorge.
Obwohl sie noch ganz benommen von dem Sturz war, hakte sich eine Erinnerung in ihr fest … Hatte jemand sie gestoßen? Sie spähte nach oben und sah nichts als Erde und Stein und sich im Wind wiegende Grassoden.
Auf dem schmalen Pfad oberhalb von ihr war keine Stelle gewesen, wo irgendjemand auf der Lauer hätte liegen können. Und warum sollte jemand sie verletzen wollen? Natürlich hatte niemand sie gestoßen. Trotzdem, es war, als spüre sie noch immer den Abdruck einer Hand in der Mitte ihres Rückens.
Es erzürnte sie, dass sie so leicht das Gleichgewicht verloren hatte, aber noch mehr brachten sie die Zweifel an ihrem eigenen Verstand auf.
Er hockte sich hin und half ihr mit einer Hand an ihrem Ellbogen, sich hinzusetzen. Hinter ihm stampfte ein weiß-grau geflecktes Pferd mit einem Huf und stöberte im Busch.
»Ich glaube nicht, dass ich schon jemals etwas so Erstaunliches gesehen habe. Eine schöne Frau, die vom
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