Shadow Guard: Die dunkelste Nacht (German Edition)
Knöchel verletzt.«
»Ist das so?«, fragte Rourke sie, die Augen kühl und durchdringend. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf Mr Silverwests Hand, in der er immer noch ihren Schuh hielt. Nach dem missmutigen Ausdruck in Rourkes edlem Gesicht hätte Silverwest ebenso gut ihre Strumpfbänder halten können.
»Ja«, antwortete sie.
»Dann nehme ich an, ich muss dich nach Hause bringen.« Rourke trat in ihre Richtung, aber als er Anstalten machte, sich hinzuknien, hielt Mr Silverwest ihn mit einem herrischen Griff an der Schulter davon ab. Rourke erstarrte und schaute zu Seite, und seine Lippen verzogen sich zu einer schmalen Linie.
»Nicht nötig, sie zu tragen, wenn ich ein Pferd gleich hier habe.« An Selene gewandt fragte er: »Sie reiten doch, Gräfin, nicht wahr?«
»Ja.« Sein Pferd war feinknochig und sanft. Sie kannte sich mit Pferden aus, und dieses war offensichtlich wertvoll. Das Pferd machte nicht den Herrn, aber wenn der Herr bereits ziemlich beeindruckend war, wurde seine Attraktivität durch ein solch außerordentliches Reittier durchaus verstärkt.
Ein warmes Lächeln erhellte sein hübsches Gesicht. »Und so haben wir die perfekte Lösung.«
Mr Silverwest schnalzte mit der Zunge, und das Pferd hob den Kopf und stellte die Ohren auf. Das Tier kam sogar einige Schritte näher.
»Ich werde einfach …« Mr Silverwest schritt auf Selene zu, als habe er die Absicht, sie hochzuheben. Sein Pferd folgte ihm.
»
Ich
werde sie in den Sattel setzen«, knirschte Rourke gereizt und schob sich an Mr Silverwest vorbei, um Selene hochzuheben.
Für einen Moment, als Rourke sie in den Armen hielt und fest an seine Brust presste, sahen sie einander an, Stirn an Stirn. Eine dunkle Welle der Wonne durchströmte sie. Die Falte zwischen seinen Brauen vertiefte sich. Ihr Lächeln wurde breiter. Mr Silverwests Aufmerksamkeiten, Rourkes miserable Laune. Etwas an dem ganzen Erlebnis versetzte sie in Euphorie.
»Was haben Sie hier gemacht?«, murmelte Rourke dicht an ihrem Ohr.
Sein Atem kitzelte ihr Ohr. Das tiefe Timbre seiner Stimme vibrierte und ließ sie den Schmerz in ihrem Knöchel vergessen.
Mit so viel Gleichgültigkeit, wie sie nur aufbringen konnte, antwortete sie: »Shrew hat mich gebeten, Ihnen zu sagen, das Abendessen sei fertig.«
9
Sobald sie im Sattel saß, führte Mr Silverwest das Pferd an den Zügeln, und Rourke folgte. Es dauerte nicht lange, bis der gewundene Pfad sie nach Swarthwick zurückbrachte. Zu ihrer Überraschung kamen Shrew und Tres gerade die Treppe herunter, sodass sie sich im Innenhof trafen.
»Wir wollten uns gerade auf die Suche machen«, erklärte Shrew, der, ohne ihm einen Blick zu gönnen, an Silverwest vorbeiging.
Doch Tres kniff die Augen zusammen und musterte ihren Nachbarn.
Die Brüder folgten ihnen zur Vordertreppe, wo die Männer einander angespannt vorgestellt wurden.
Rourke griff nach Selenes Taille und zog sie seitlich an sich. Ihre Unterröcke und Röcke wallten üppig über seine Arme. Er drehte sich zum Haus um und ging die ersten Stufen hinauf.
»Warte …
Bruder
«, sagte Selene. »Es ist ein Gebot der Höflichkeit, dass ich Mr Silverwest danke.«
Rourke erstarrte und stieß die Luft durch die Nase aus. Mit bebenden Nasenflügeln drehte er sich wieder um und hielt sie näher an Mr Silverwest heran.
»Vielen Dank, Mr Silverwest. Möchten Sie mit hereinkommen, vielleicht auf eine Tasse Tee?«
Shrew und Tres wandten ihr ruckartig die Köpfe zu. Rourkes Arme spannten sich fester um sie.
»Ein andermal vielleicht.« Er zwinkerte ihr zu, und ein schelmischer Ausdruck glänzte in seinen Augen.
»Ja. Ein andermal«, stimmte Selene zu. »Dann auf Wiedersehen.«
Die beiden Brüder folgten, während Rourke sie hineintrug und sie praktisch auf das Sofa warf.
»Mein Schuh«, rief sie aus. Der Verlust hätte ihr nicht so viel ausgemacht, aber sie hatte das Paar bei ihrem Lieblingsschuster in Frankreich gekauft, und ihr Leder hatte genau den Grünton, der zu ihrem Gewand passte.
»Wo ist er?« Das war Tres.
Sie fragte Rourke, der mit dem Schüreisen in der Glut herumstocherte: »Avenage, haben Sie ihn vielleicht mitgenommen?«
»Nein«, antwortete er, ohne sich umzudrehen.
»Mr Silverwest muss ihn haben«, sagte sie.
Shrew raste zur Tür hinaus. Durch das Fenster beobachtete sie, wie er über den Innenhof rannte und Silverwest etwas zuschrie, der auf die Brücke zugaloppierte. Im selben Moment erschien ein anderer Reiter. Er ritt über die Brücke auf die
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