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Shadow Touch

Titel: Shadow Touch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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ihnen in ihrem gebrochenen Englisch zu reden, und die beiden Männer reagierten mit ruhigen Antworten. Rik war dabei ein wenig zurückhaltender. Er schien von Amiris Wutausbruch immer noch erschüttert zu sein. Elena hielt es für gut, dass jemand dabei war, den er respektierte, eine starke Persönlichkeit, die ihn im Zaum hielt. Sie mochte Rik; er war ein guter Junge. Dieser Aufenthalt in der Einrichtung hatte ihm zugesetzt, das konnte sie ihm zugutehalten. Aber sie spürte, dass ihm noch mehr zugestoßen war, und zwar schon vor der Gefangennahme durch das Konsortium, und dass seine gelegentlichen Ausbrüche - diese Härte - Symptome waren, die auf etwas anderes als nur diese Entführung hindeuteten.
    »Ich mache mir Sorgen um Rik«, gestand Elena. Artur folgte ihrem Blick. »Manchmal scheint er irgendwie ...«
    »Gebrochen zu sein?«, beendete Artur ihren Satz, als sie verstummte.
    »Oder ... verbogen. Er leidet.«
    »Alle leiden.« Sein Ton überraschte sie. Er war vollkommen emotionslos, fast kalt. »Viele haben mehr gelitten als Rik. Aber ich glaube, dass er aus einem unbekümmerten Leben gerissen wurde und seine Erfahrungen deshalb schmerzlicher waren.«
    »Lerne früh Schmerz kennen - und du wirst hart? Das hier ist nicht Sparta, Artur.«
    »Nein? Sag das den Kindern, mit denen ich aufgewachsen bin. Oder sag es dir selbst. Dein Leben war auch nicht gerade einfach, Elena.«
    »Und? Habe ich dafür eine Medaille verdient? Das glaube ich eher nicht. Das Leben ist, wie es ist, und einige Leute sind besser ausgerüstet als andere, es zu meistern. Diejenigen, die daran scheitern, sollten nicht dafür bestraft werden.«
    »Manchmal schon«, widersprach er grimmig. »Irgendwann ist das alles, was sie verstehen.«
    Elena hob eine Braue. »Warum beschleicht mich das Gefühl, dass du nicht nur auf Riks verbale Ausfälle anspielst?«
    Artur zuckte mit den Schultern und biss in seine Piroshki. Elena hätte ihn am liebsten vors Scheinbein getreten. Sie hatte diese schweigende Behandlung durch die Männer um sie herum allmählich satt. Sie wollte nicht, dass Artur schlechte Gewohnheiten entwickelte.
    »Artur ...« Sie gab ihm zehn Sekunden, auf die Warnung in ihrer Stimme zu reagieren. Wenn er es nicht tat, würde sie nie wieder mit ihm schlafen. Sie berührte seine Wange mit den Fingerspitzen.
    Hast du das begriffen?
    »Ich mag keine Drohungen«, sagte er sofort und runzelte die Stirn. »Und - nein, ich meinte nicht dich. Obwohl die Drohung, mir deinen Körper vorzuenthalten, so grausam ist, dass du dich fast dafür qualifizierst.«
    »Wir haben harte Zeiten«, erwiderte sie. »Du hältst Rik also für einen Rüpel?«
    »Ich sehe jedenfalls das Potenzial dafür in ihm. Er ist jung und wütend und kann sich manchmal nicht beherrschen. So um sich zu schlagen wie vorhin, das kann schnell zur Gewohnheit werden.«
    »Ich habe ihn provoziert«, erklärte Elena. »Manchmal benimmt er sich wirklich ganz süß.«
    »Wenn er so süß ist, hätte er sich eine andere Reaktion einfallen lassen sollen.«
    »Du bist nur wütend, weil er mich beleidigt hat.«
    »Allerdings.«
    »Na gut«, lenkte sie ein. »Aber verwandle du dich nicht auch in einen Rüpel.«
    »Und du?«
    »Ich? Ich kann mich benehmen, wie ich will«, verkündete Elena. »Denn ich bin entzückend und grausam, und genauso magst du mich.«
    Er gab sich alle Mühe, sein Lächeln zu unterdrücken.
    Sie gingen zu Amiri und Rik. Der Zug hielt laut Arturs Aussage nur zehn bis höchstens zwanzig Minuten an einem Bahnhof, und der Schaffner würde die Abfahrt nicht ankündigen. »Liebe sie und lass sie gehen«, unter diesem Motto fuhr der Rossiya. Elena sah, wie Zugbegleiterin Gogunov aus einem Fenster blickte und sie böse anstarrte. Elena winkte der Frau fröhlich zu.
    Es hatte sich vor ihrem Teil des Zuges bereits eine Schlange gebildet. Das amerikanische Paar aus Wladiwostok stand vor Elena. Die Frau drehte sich zu ihr herum und sah sie an. Sie war klein und unscheinbar: unauffälliges braunes Haar in einem durchschnittlichen Gesicht. Trotzdem ganz hübsch, jedenfalls soweit Elena das beurteilen konnte.
    »Ich habe Sie doch schon einmal gesehen«, erklärte die Frau. Ihre Stimme klang weich und leise. Sie wirkte nicht mehr ganz so überschäumend wie zuvor. »Ist das Ihr erster Aufenthalt in Russland? Sie müssen sich prächtig amüsieren.«
    »Ja.« Elena war sich sehr deutlich bewusst, dass ihr männlicher Gefährte sie vergnügt musterte. Das erste Mal in Russland, vielen

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