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Shadow Touch

Titel: Shadow Touch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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und Wüsten, an deren Rändern sich Berge so scharf wie Messerklingen in den Himmel erhoben. Es war wunderschön, richtig großartig, so wie der Mann, der nackt hinter ihr stand und seine kräftigen Arme um ihren Körper geschlungen hatte, während sie am Fenster zusahen, wie die Welt an ihnen vorüberzog.
    »Du liebst dein Land«, stellte sie fest.
    »Manchmal«, schränkte er ein. »Amerika liegt mir aber mehr. Ich glaube, weil meine Erinnerungen daran die besseren sind.«
    »Du hattest eine gute Kindheit«, sagte sie. »Jedenfalls wirkte das bisschen, das ich gesehen habe, gut. Und ja, die weißen Enten waren von dir.«
    »Ich kann mich jetzt wieder daran erinnern. Meine Mutter und Großmutter hatten sie auf ihren Schürzen. Das war eine schöne Zeit.«
    »Hast du jemals daran gedacht, sie zu suchen?«
    Artur seufzte. »Meine Großmutter ist tot. Sie ist gestorben, als ich zehn war. Was meine Mutter betrifft... Ich wüsste nicht, was ich ihr sagen sollte. Ich weiß nicht mal, ob sie überhaupt noch am Leben ist. Und falls doch, was ist, wenn sie eine andere Familie hat? Wenn sie mich erst ausgesetzt hat und dann weggegangen ist, um noch mehr Kinder zu bekommen? Kinder, die sie selbst großgezogen hat? Ich bin nicht sicher, ob ich das Wissen ertragen könnte, dass sie anderen gegeben hatte, was sie mir vorenthielt.«
    Darauf wusste Elena nichts zu antworten. Sie dachte an ihre eigene Mutter und daran, wie es sich anfühlen mochte, wenn sie herausfand, dass sie weitergemacht und eine neue Familie gegründet hätte. Zwanzig Jahre waren eine lange Zeit.
    »Ja«, flüsterte Artur. »Das ist es.«
    Sie zogen sich an und trafen sich mit Amiri und Rik im Speisewagen, wo sie hartes Brot und starken Kaffee frühstückten. Keiner der beiden machte eine Bemerkung über die Aktivitäten der letzten Nacht. Doch Elena war davon überzeugt, dass sie es wussten. Amiris Gehör war angeblich so gut wie das der Raubkatze, in die er sich verwandelte. Aber er war auch ein Gentleman bis auf die Knochen und warf ihr weder einen anzüglichen Blick noch ein Lächeln zu. Das rechnete ihm Elena hoch an. Es war schon spannend genug gewesen, neben Artur aufzuwachen. Wundervoll und merkwürdig.
    Sie öffnete das Fenster über ihrem Tisch. Der Wind roch frisch und scharf. Der Duft erinnerte sie an Rictors Gefängnis, als sie den Kreis zerstört hatte: voller Leben, voll von ewiger Schönheit. Sie fragte sich, wo er sich wohl aufhielt, obwohl sie viel lieber wissen wollte, was er eigentlich war.
    »Was glaubt ihr?«, fragte sie die Männer, nachdem sie ihnen erzählt hatte, worüber sie nachdachte.
    »Ich kenne Rictor nicht so gut wie Sie beide, aber nach dem wenigen, was ich von ihm gesehen und gehört habe, halte ich ihn nicht für einen Menschen.« Amiri nippte an seinem Kaffee. Das Brot auf dem Teller vor ihm rührte er allerdings nicht an.
    »Also gut.« Elena runzelte die Stirn. »Wenn er kein Mensch ist und auch kein Gestaltwandler, was ist er dann?«
    »Ist das denn wichtig?«, erkundigte sich Rik. Er hatte sein blau gestreiftes Haar zu einem festen Zopf zurückgebunden. Elena nahm sich vor, ihn zu fragen, woher er eigentlich kam. Heute Morgen sah er jedenfalls sehr nach Hawaii aus. »Falls Sie es vergessen haben, er gehörte zum Konsortium. Sie wissen doch, diese Organisation, die sich auf Entführungen und Experimente an Menschen spezialisiert hat? Ich bin nicht sicher, ob ich ihm all das Zeug über magische Gedankenkontrolle abkaufe.«
    »Zyniker«, gab Elena zurück.
    »Realist«, konterte er. »Auch wenn er uns auf der Flucht geholfen hat, macht ihn das noch nicht zu einem der Guten, darüber müssen Sie sich im Klaren sein. Ich kann mich daran erinnern, dass er heruntergekommen ist, um mich zu beobachten. Er hat mich einfach nur angestarrt und keinen Finger gerührt. Nicht einmal das.«
    »Ich sage ja nicht, dass er kein Mistkerl wäre, aber darum geht es hier gerade nicht. Ich will nur wissen, was er ist. Ich meine, was gibt es da draußen noch außer Gestaltwandlern und Menschen? In was für einer Welt leben wir eigentlich?«
    »In einer seltsamen«, meinte Artur. Sein Bein berührte ihres; er zog es nicht zurück.
    »Das hilft mir aber auch nicht weiter«, erwiderte sie und schlang ihren Fuß um seinen. »Existiert Magie überhaupt? Ich meine: echte Magie? Denn das ist die einzige Erklärung dafür, dass dieser Kreis Rictor binden konnte, und dafür, dass er sich vor meinen Augen in Luft aufgelöst hat.«
    Rik lachte, Amiri und

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